Nach einer wahren Geschichte
Nichts geht mehr, gar nichts. Die Schriftstellerin Delphine kann nicht mehr schreiben. Schon ein Bleistift in ihrer Hand, um einen Einkaufszettel zu schreiben, verursacht Übelkeit. Nach dem überwältigenden Erfolg des Buches über ihre Mutter sieht Delphine sich außer Stande, ein neues Buch anzufangen. Mit L., mit der sie sich nach einer Party angefreundet hat, diskutiert sie ausgiebig über den neuen Roman. L. weiß es genau: realistisch muss er sein und wahr, noch radikaler als das vorige Buch. Als Delphine ihr von einem rein fiktional angelegten Projekt erzählt, macht sie aus ihrer Enttäuschung und Verachtung keinen Hehl. Je mehr Delphine mit L. über ihr Projekt diskutiert, desto schwerer fällt es ihr, an die Arbeit zu gehen. Wie gut, dass L. ihr zur Seite steht, die Korrespondenz für sie erledigt, das vor langer Zeit zugesagte Vorwort zu einer Klassikerausgabe schreibt und sie auch sonst umsorgt. Es dauert lange, fast zu lange, bis Delphine begreift, wie sehr L. sie manipuliert. Erst ein Unfall und eine Auszeit mit L. im Haus von Delphines Lebensgefährten bringen die dramatische Wende. - Dass Schriftsteller ihr Schreiben zum Gegenstand eines Romans machen, ist nichts Neues. Mit den Mitteln eines Psychothrillers ist das jedoch noch nicht erzählt worden; Langeweile kommt dabei jedenfalls nicht auf. Vielmehr finden die Leser/innen sich in einem intelligenten und äußerst unterhaltsamen Verwirrspiel zwischen Fiktion und Realität wieder. Nie kann man sich sicher sein, ob Delphine de Vigan von sich erzählt oder die Geschichte erfunden hat. Damit stellt sie die Frage, ob nur die Realität wahr sein kann oder ob auch Wahrheit in der Fiktion liegt. Für anspruchsvollere Leser/innen in jedem Bestand geeignet. (Übers.: Doris Heinemann)
Christoph Holzapfel
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Nach einer wahren Geschichte
Delphine ¬de¬ Vigan
DuMont (2016)
347 S.
fest geb.