Rahels Reise
Beim Schabbesessen verkündet Rahel Cohen, 83-jährig, ihrer Familie, dass sie von Amerika nach Deutschland fliegen möchte, einem alten Wunsch ihrer Mutter folgend. Die Reaktionen sind unterschiedlich: Zweifel, ja Unverständnis bei Rahels Mann Jacob,
die beiden Söhne sorgen sich, der Enkel Benjamin findet das cool. Hintergrund ist Rahels Lebensgeschichte. Bernd Suchers Roman fächert sie bedachtsam zu einer Familiensaga mit deutschen und jüdischen Wurzeln auf. Rahel und ihr Mann konnten gerade noch rechtzeitig aus Hitler-Deutschland fliehen, als Kleinkinder, sie 1936 aus Fürth, er ein Jahr zuvor aus Hamburg. In New York haben sie sich kennengelernt, geheiratet, eine Familie gegründet. Sie pflegen jüdische Rituale und schätzen die Kultur. Rahels Entschluss bringt erst einmal vieles durcheinander. Auch ihre eigene Einschätzung von Deutschland. Sie hört, dass junge europäische Juden nach Berlin gehen, um sich dort als Europäer zu fühlen, aber sie registriert auch, dass Juden in Deutschland vor Antisemitismus warnen, dass es antiisraelische Pamphlete gibt und Attentate auf Synagogen. Das alles wird in Tagebuchnotizen, Briefen und WhatsApp-Nachrichten zwischen den Familienmitgliedern kommuniziert. Seine Spannung gewinnt der Roman vor allem aus einem Familiengeheimnis, das Rahel mitsamt ihrem Lieblingsenkel lüftet. Es hat mit ihrer Herkunft zu tun. Ein Roman über die Grenzen des Verstehens und die Größe des Verzeihens, über Glück und Traurigkeit, sehr empfehlenswert!
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.

Rahels Reise
C. Bernd Sucher
Secession Verlag (2024)
400 Seiten
fest geb.