Unsichere Heimat
Der Theaterkritiker und Autor C. Bernd Sucher spürt dem jüdischen Leben in Deutschland nach. Seine Betrachtungen setzen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ein und reichen bis in unsere Tage. Gegenwart und Aussichten für die Zukunft erhalten deutlich mehr Raum als die Vergangenheit. Trotz der Sensibilität für jüdische Belange in Politik, Medien und Gesellschaft nimmt der Autor einen subkutan wirkmächtigen Antisemitismus wahr. Dieser tarne sich vielfältig, beispielsweise als Israelkritik, künstlerisches Projekt (von R. W. Fassbinder bis zur documenta 2023) oder Antikapitalismus. Die Skepsis, die im Titel anklingt, ist Quintessenz der Betrachtungen. Die Qualitäten des Buchs liegen in einer detaillierten Dokumentation jüdischen Lebens in Deutschland nach 1945. Auch die Interviews zur Farbigkeit der Ausdrucksformen zeitgemäßer Lebensweisen des jüdischen Glaubens sind bereichernd. Aus der Zeit gefallen wirkt die Ausschließlichkeit des Autors, Gefahren für Juden in Deutschland nur in der Neuauflage altbekannter Stereotypen zu sehen. So bleibt der bereits vor dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 heftige muslimische Antisemitismus völlig unreflektiert. Trotz - und wegen - des Moll-Tons ein nachdenklich stimmendes Bild jüdischen Lebens in Deutschland.
Werner Wagner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Unsichere Heimat
C. Bernd Sucher
Piper (2023)
271 Seiten
fest geb.