Der Blick einer Frau
Im Jahr 1935 treffen in Paris die jüdischen Emigranten Gerta Pohorylle aus Deutschland und Endre Friedmann aus Ungarn zusammen. Die 26-jährige Gerta schlägt sich genauso mühsam mit Gelegenheitsarbeiten durch wie der einige Jahre ältere Endre. Dieser ergattert gelegentlich Aufträge als Fotograf. Aber es reicht kaum zum Leben. Gerta ist fasziniert von dem Mann und seiner Arbeit. Sie bringt ihn dazu, ihr alle Feinheiten beizubringen, dafür will sie, die sprachlich versiertere, die Vermarktung der Bilder auf sich nehmen. Gerta erkennt, dass ihrer beider Namen nicht dazu angetan sind, bei den maßgeblichen Verlagen Vertrauen zu erwecken. Deshalb nehmen sie die Namen Gerda Taro und Robert Capa an, um nicht von vornherein als jüdische Flüchtlinge identifiziert zu werden. Bald stellt sich der Erfolg ein. Sie sind nun auch ein Liebespaar, das trotz gelegentlicher Eskapaden Endres einen leidenschaftlichen Verlauf nimmt. Als in Spanien 1936 der Bürgerkrieg ausbricht, fahren beide nach Katalonien und fotografieren in Barcelona und Umgebung die Kämpfe der regierenden Republikaner gegen Francos Faschisten. Immer wieder halten sie sich an vorderster Front auf; ihre Bilder werden bald zur Sensation in der Weltpresse. - Dieser Roman ist genauso die Geschichte von Gerda Taro wie die von Robert Capa. Anfangs wird die Situation der Emigranten in Paris und deren Überlebenskampf ausführlich geschildert; auch die Liebesbeziehung von Taro und Capa nimmt, bis zum Schluss, breiten Raum ein. Es treten viele bekannte Flüchtlinge aus Deutschland auf, u.a. Willy Brandt, Arthur Köstler. Im Krieg trifft das Paar dann auch auf Leute wie Hemingway, Orwell, die auf Seiten der Republikaner Partei ergreifen. Auch die teilweise chaotischen Zustände bei den Republikanern, speziell bei den Milizen, werden thematisiert. Der Roman ist in einfacher, aber eindrücklicher Art eine interessante Lektüre. Gut einsetzbar.
Erwin Wieser
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der Blick einer Frau
Caroline Bernard
rütten & loening (2024)
415 Seiten
fest geb.