Wenn sich unsere Herzen gleich öffnen
Navid Kermani zählt ohne Zweifel zu den intellektuellen Aushängeschildern Deutschlands: vielfach preisgekrönter Schriftsteller, Journalist und ein gefragter Redner. In diesem Band vereint er sieben Reden aus den Jahren 2024 und 2025; zwei davon,
je zu Beginn und am Ende des Buches, sind Brief bzw. Rede an eines seiner Kinder. Die Texte dazwischen sind Reden vor jeweils großem Publikum und haben politische (Tages-)Ereignisse zum Gegenstand, angereichert um historische und philosophische Bezüge. Das, was der Autor seinen erwachsenen Kindern mit auf den Lebensweg gibt, setzt sprachlich wie emotional die Glanzlichter des Werks. Manche Stellen wirken so intensiv, dass den Leser kurzzeitig das Unwohlsein beschleicht, ungebetener Voyeur bei einer Familienintimität zu sein. Deutlich anders geraten sind die Ansprachen coram publico. Alle atmen die jeweilige Tagesaktualität und wirken inzwischen schal, ob ihres überschrittenen Verfalldatums. Im Gedächtnis bleiben einige Erinnerungen des Autors an den Iran vor 1979, auch wehmütige Rückblicke auf eine freiheitlich-westliche Kultur, die Kermani zusehends schwinden sieht. Die wenigen Höhepunkte sowie der Mangel an Kohärenz im Aufbau des Buchs lassen eher an einen Mitnahmeeffekt im herbstlichen Buchgeschäft denken denn an eine wohl reflektierte Orientierung zum Zeitgeschehen. Fans des Autors dürften trotzdem zufrieden sein, als Einstieg in die ansonsten ausdrucksstarke Gedankenwelt des Autors aber wenig überzeugend.
Werner Wagner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Wenn sich unsere Herzen gleich öffnen
Navid Kermani
C.H.Beck (2025)
140 Seiten
fest geb.