Das Alphabet bis S

Die namenlose Hauptfigur des sehr autobiographisch geprägten Buches, eine aus dem Iran emigrierte Schriftstellerin, ist auf der Höhe ihres Schaffens: knapp 50-jährig, hochprämiert, prominent. Da wird sie in eine tiefe Krise gerissen, als erst ihre Das Alphabet bis S Ehe scheitert, dann ihre Mutter stirbt. Sie entschließt sich, Tagebuch zu schreiben und ihre Bücher neu zu ordnen, denn diese allein scheinen ihr derzeit noch Halt zu geben. Der gebürtige Siegener, dessen Familie aus dem Iran stammt, gehört fraglos zur ersten Garde deutscher Autoren. Sein neuester Roman ist allerdings keine einfache Lektüre. Wenn man es genau nimmt, ist es gar kein Roman, denn die (Rahmen-)Handlung verschwindet häufig hinter den eher essayistischen Texten, in denen sich Kermani in geradezu Montaignescher Manier Gedanken über das Leben macht. Und das meint nicht nur Hochphilosophisches, sondern auch den banalen Alltag: So lässt er sich aus über Fußballfans und Islamismus, europäische Zollgrenzen, avantgardistische Kunst, Radarfallen, Intimrasur und vieles mehr. Vor allem aber über Schriftsteller. Und das macht das Lesen nicht eben unkompliziert, denn die Autoren, die er zitiert, über deren Werk er sich seine Gedanken macht, sind überwiegend unbekannt oder kaum noch bekannt. Was zwar von der Belesenheit Kermanis zeugt, allerdings von durchschnittlichen Lesern viel verlangt. Für Kermani-Fans ist das Buch aber sicher ein gefundenes Fressen. Für größere Bestände.

Günter Bielemeier

Günter Bielemeier

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Das Alphabet bis S

Das Alphabet bis S

Navid Kermani
Hanser (2023)

589 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 615452
ISBN 978-3-446-27745-8
9783446277458
ca. 32,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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