Die Kunst zu verlieren

Naima, eine junge Pariser Galeristin mit kabylischen Wurzeln, soll wegen einer Retrospektive zum algerischen Künstler Lalla in dessen Geburtsland fahren. Sie möchte zuerst nicht, weil ihr Vater, der noch in Algerien seine Kindheit verbrachte, auf Die Kunst zu verlieren extreme Distanz zu seiner Herkunft geht. Über die Künstler-Kontakte wird Naima schließlich auch in das Herkunftsdorf ihres Großvaters gebracht und erlebt für einige Stunden das für sie archaische Leben. Ursache für das Nicht-Zurückblicken ihres Vaters ist, dass Großvater Ali seine Familie nur dank guter Kontakte zur Kolonialverwaltung aus Algerien herausbrachte, aber wie andere Hilfssoldaten der französischen Armee von der algerischen Befreiungsbewegung mehr als verachtet wurde. - Nach einem kurzen Abriss der Ausgangssituation Naimas springt die Ich-Erzählerin rigoros an den Beginn der Kolonialisierung des Maghreb und setzt einen ersten Schwerpunkt mit der Weltkriegsteilnahme von Ali. Lange kann er zwischen den Befreiungskräften und den Franzosen lavieren, sucht aber zuletzt deren Schutz wegen willkürlicher Morde der FLN. Der zweite Teil der Retrospektive schildert die ersten Jahre in Frankreich mit diversen Versuchen, sich zu assimilieren. - Man kann dieses Buch unter zwei Aspekten lesen: Zum einen als fundierte und lebhaft beschriebene Information zur algerischen Geschichte, zum anderen als Darstellung, wie sich Migranten fühlen, wie sie die Balance halten zwischen "Super-Franzosen" und einer Wertschätzung der eigenen Kultur. (Übers.: Hainer Kober)

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die Kunst zu verlieren

Die Kunst zu verlieren

Alice Zeniter
Berlin-Verl. (2019)

560 S.
fest geb.

MedienNr.: 880619
ISBN 978-3-8270-1373-6
9783827013736
ca. 25,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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