Unsere Seelen bei Nacht
Die 70-jährige Witwe Addie, die ihrer Einsamkeit entkommen möchte, nimmt all ihren Mut zusammen und klingelt bei ihrem Nachbarn Louis, der ebenfalls nach dem Tod seiner Frau allein lebt und lädt ihn zu einer gemeinsamen Nacht ein. An diesem Angebot ist nichts schlüpfrig, dahinter steckt lediglich der Wunsch nach Geborgenheit und Zweisamkeit. Sollte das Experiment klappen, ist eine Wiederholung nicht ausgeschlossen. Es klappt, und die beiden verbringen zunächst verborgen vor der tratschenden Dorfgemeinschaft Nacht für Nacht miteinander und erzählen aus ihrem Leben. Als Addies Sohn von seiner Frau verlassen wird und in seiner Not der Mutter den Enkel vor die Tür setzt, beginnen Unstimmigkeiten, da die Kinder der Senioren das unkonventionelle Verhältnis nicht dulden wollen. Louis zieht sich nachts zurück, gewinnt jedoch das Herz des Kindes, und das Überwinden der gesellschaftlichen Schwierigkeiten schweißt die in die Jahre gekommenen mit einigen Hürden letztlich noch mehr und endgültig zusammen. - Das klingt nach einem besonderen und reizvollen Stoff, der aber enttäuschend leblos und unrealistisch bleibt. Hinter der Erzählung findet man die Figuren nicht - es bleibt ein Gerüst ohne Fleisch. Schade. Darum nur für Leser zu empfehlen, die selber ausreichend Vorstellungskraft aufbringen. (Übers.: Pociao)
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Unsere Seelen bei Nacht
Kent Haruf
Diogenes (2019)
Diogenes-Taschenbuch ; 24465
196 S.
kt.