Kostbare Tage
"Dad" Lewis hat Krebs und nur noch wenige Wochen zu leben. Dad, wie er seit der Geburt seiner Tochter Lorraine von allen genannt wird, betreibt in der fiktiven Kleinstadt Holt in Colorado einen Eisenwarenhandel, dessen Fortbestehen er in die Hände von Lorraine legt. Seinen Sohn Frank hatte er schon lange wegen dessen Homosexualität aus seinem Leben verbannt. Diese Äußerlichkeiten geben den Rahmen für eine großartige Sicht auf die Charaktere, bei denen der Leser immer wieder Großartiges und Einzigartiges entdecken kann. Während der Autor von Dads Sterben erzählt, entdecken die Leser/-innen die Menschen hinter der Fassade kleinstätischer Konformität. Schnörkellos und schonungslos beschreibt der Autor Leben und Sterben. Erst die Liebe macht daraus etwas Schönes. Die liebevolle Pflege durch seine Frau und seine Tochter und deren Unterstützung durch eine Nachbarin und Gemeindemitglieder sorgt auch dafür, dass der Sterbende selbst bei den würdelosen Begleiterscheinungen seine Würde behalten kann. Besonders berührend sind die imaginierte Versöhnung mit seinem Sohn, die fast minutiös geschilderten letzten Atemzüge und die Frage, was von einem Menschenleben bleibt. Empfehlenswert.
Lotte Schüler
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Kostbare Tage
Kent Haruf ; aus dem Amerikanischen von pociao und [einem weitereren]
Diogenes (2021)
Diogenes-Taschenbuch ; 24577
345 Seiten
kt.