Nastjas Tränen
Als die ukrainische Bauingenieurin Nastja sich gezwungen sieht, ihre Heimat zu verlassen, gibt sie den ihr anvertrauten Enkel in die Obhut ihres Ex-Ehemanns. Mit gefälschten Papieren gelangt sie nach Berlin, wo sie in verschiedenen Haushalten putzt,
u. a. auch bei der Autorin, Natascha Wodin. Da Wodins Eltern ukrainische Zwangsarbeiter waren, sprechen Wodin und Nastja russisch miteinander. Durch die so entstehende Freundschaft beginnt Wodin, in Nastja eine Seelenverwandte ihrer Mutter zu erkennen und den Freitod ihrer Mutter dadurch besser zu verstehen. In sachlichem Ton und sehr einfühlsam erzählt Wodin von Nastjas Lebensodyssee. Dabei wechselt sie zwischen ihrer eigenen und Nastjas Perspektive, wodurch Nastjas Schicksal unmittelbar erfahrbar wird. Am Beispiel von Nastja versteht es Wodin meisterhaft, sehr lebensnah darzulegen, wie es illegal in Deutschland Beschäftigten ergeht, die nicht nur weit unter ihrer Qualifikation und ohne Kenntnis der deutschen Sprache in ärmlichsten Verhältnissen leben, um ihre Familien in der Heimat zu unterstützen. Ebenso lässt sie die katastrophale soziale und politische Situation in der Ukraine einfließen.
Adelgundis Hovestadt
rezensiert für den Borromäusverein.

Nastjas Tränen
Natascha Wodin
Rowohlt (2021)
188 Seiten
fest geb.