Gegenlauschangriff

Christoph Hein hat seinen Ruf als scharfsinniger Chronist der DDR über deren Untergang hinweg gerettet. Eine kleine Sammlung von Anekdoten erzählt nun Vor- und Nachgeschichten eines Künstlers, der die Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit Gegenlauschangriff in der Diktatur nur zu genau kannte. Mit nachgetragenem Humor wird von Gastspielen von Ensembles an DDR-Theatern im Westen berichtet, von Narren, Verbrechern und Zensoren (Hein hielt 1987 auf dem X. Schriftstellerkongress eine mutige Rede gegen die Zensur), von Freundschaften, die dem Druck der Staatssicherheit nicht standhielten (wie die mit Thomas Brasch), von misstrauischen westlichen Nachwende-Journalisten und von Heins ungewollter Beteiligung an dem Drehbuch zu dem Film "Das Leben der Anderen". Hier ragen die Anekdoten, die eigentlich keine sind, weil Autor, Erzähler und Figur eins werden, in die Realität, auch wenn nachprüfbar nicht alles stimmt, was Hein erzählt; es gab deshalb eine Aufregungswelle im "Spiegel" und in der F.A.Z. Vortrefflich indessen ist die Titelgeschichte über einen "Gegenlauschangriff", den der Schauspieler Manfred Krug in seiner Wohnung in Anwesenheit von Funktionären und Politikern unternahm: den Feind mit seinen eigenen Waffen schlagen, weil er ein falscher "fremder Freund" ist (so der Titel von Heins erfolgreichstem Buch). Ein lehrreiches Buch über Literatur in und nach der Diktatur, brillant erzählt.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Gegenlauschangriff

Gegenlauschangriff

Christoph Hein
Suhrkamp (2019)

Suhrkamp Taschenbuch ; 4993
122 S.
fest geb.

MedienNr.: 919030
ISBN 978-3-518-46993-4
9783518469934
ca. 14,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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