Die Berlinreise

Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, Kritiker und Hochschullehrer präsentiert hier ein ganz erstaunliches Buch. Anrührend und unerhört sympathisch, unverstellt und im besten Sinne naiv erzählt der damals 12-jährige Hanns-Josef in bewundernswerter Die Berlinreise Detailgenauigkeit und mit erstaunlichem Scharfsinn über die im Mai 1964 mit seinem Vater nach Berlin unternommene Reise. Für den Vater bedeutet diese Reise ein nostalgisches Abschiednehmen von Orten und Personen, die für ihn und seine Ehefrau einst schicksalhaft waren. Für den Jungen dagegen wird diese Reise in verschiedener Hinsicht zu einer echten "Bildungsreise". Er lernt durch das vielfältige "Programm", das der Vater für beide zusammengestellt hat (Theater- und Konzertbesuch, Kneipen, Cafés und Geschäfte, Geschäftsstraßen und Denkmäler, die eben erst errichtete Mauer und den Stacheldraht, Architektur und Natur in Ost- und Westberlin ...), die geteilte Stadt in ihrer Einmaligkeit und Tragik kennen: "So wurde die Berlinreise (...) zu einer Reise in die Gegenwart des Kalten Krieges und die Vergangenheit des Zweiten Weltkriegs" (Vorwort von Ortheil). Aber es ist auch ein Eintauchen in die dem Jungen noch völlig unbekannte, tragische Familiengeschichte. Schwer verwundet war dem Vater die Flucht aus Berlin gelungen. Während des Krieges hatte das Ehepaar Ortheil bereits vier Kinder durch Krieg oder Krankheit verloren. Dass die Mutter dies nicht verwinden konnte, zeigt sich daran, dass sie an dieser Reise nicht teilgenommen hat und niemals mehr nach Berlin zurückgekehrt ist. - Ein zeitgeschichtlich interessantes Dokument und eine anrührende Familiengeschichte gleichermaßen, sehr zu empfehlen.

Die Berlinreise

Die Berlinreise

Hanns-Josef Ortheil
Luchterhand (2014)

283 S. : Ill.
fest geb.

MedienNr.: 577002
ISBN 978-3-630-87430-2
9783630874302
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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