Daheim
Ihr bisheriges Leben liegt hinter ihr. Zurück bleiben nicht nur Scherben, aber nur wenig lässt sich in die Gegenwart und Zukunft retten. Sie - die Namenlose - hat sich von ihrem Mann getrennt, die gemeinsame Tochter reist durch die Welt und meldet sich immer wieder einmal von unterwegs. An der Küste wagt die Protagonistin einen Neuanfang. Sie bringt wenig physischen Ballast mit (fast alles hat ihr Ex-Mann für den Fall der Fälle "archiviert"), aber einiges an emotionalem. Da gab es wenig Halt in der Vergangenheit, das Leben war eher unstet und vom Moment geprägt. Das soll sich nun ändern. Am Meer bezieht sie ein altes Haus, ihr Bruder lebt ganz in der Nähe. Ob sie hier ein Heim findet? Hier zur Ruhe kommt? Nicht nur ein Marder auf dem Dachboden sorgt für schlaflose Nächte, denn die Dorfbevölkerung reagiert eher zurückhaltend auf die Zugezogene. Judith Hermann verwebt das wenig glamouröse Leben der Hauptperson und ihre Erinnerungen (oder sind es Träume, Traumata?) mit dem schlichten Alltag auf dem Land und traditionellen Volkssagen der Küstenbewohner. Das lässt Hörer/-innen manches Mal rat- und hilflos zurück. Die Romanvorlage ist für den Leipziger Buchpreis nominiert worden und wird von der Autorin selbst beinahe monoton vorgetragen. Wie die Romanheldin zeigt sie in ihrer Lesung wenig Emotionen. Für größere Büchereien mit einem an Gegenwartsliteratur interessierten Klientel möglich.
Felix Stenert
rezensiert für den Borromäusverein.
Daheim
Judith Hermann liest
der Hörverlag (2021)
4 CDs (circa 281 min)
CD