Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte …
In 4 Kapiteln – gerahmt von Prolog und Epilog – finden sich Essays aus mehr als 20 Jahren. Ingo Schulze, 1962 in der DDR geboren und dort sozialisiert, äußert sich in unterschiedlicher Form zu zahlreichen Themen. So finden sich in dem Band mehrere von ihm gehaltene Reden: z.B. zur Literaturpreisverleihung, als geladener Redner vor der Linken, Gespräche über Literatur aus unterschiedlichen Epochen und Ländern: z.B. Bobrowski, Raabe, Steinbeck, Gedanken über Sprache: z.B. Abwrackprämie, Endlager, Dialekt und Hochdeutsch, Meinungen zu Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, die immer wieder auftauchen: z.B. Schufterei und sklavenähnliche Arbeit als Grundlage des Konsums, die Förderung der Marktgläubigkeit durch die Politik der letzten Jahrzehnte, die Befürwortung von Verhandlungen mit Putin anstelle der Fortführung des Krieges, die Beurteilung seines Besitzes einer geerbten Eigentumswohnung in Berlin als „lächerlich wenig“ im Vergleich zu jenen, „die über Eigentum an Produktionsmitteln etc. verfügen“ ( S. 278). Seine Sozialisation in der DDR wird sehr deutlich, aber seine Hinweise auf seine Familie und seinen Werdegang zeigen ihn aufgrund des Berufes der Mutter (Ärztin) und der Westkontakte als privilegiert. Nach der Wende wollte er ein echtes sozialistisches Staatswesen. „Bei aller Kritikwürdigkeit der ideologisch überformten Verhältnisse besteht zu Hochmut gegenüber der DDR, die eine neue soziale Gerechtigkeit schaffen wollte und tatsächlich auch schuf, ganz gewiss kein Anlass. Im Gegenteil.“ (S. 278) Seine Meinung zu DDR, Wiedervereinigung, Sozialismus, Kapitalismus hat sich nach seinen Ausführungen in 25 Jahren nicht geändert, daher die Frage nach dem Sinn dieser Veröffentlichung.
Heidi Lexe/STUBE
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte …
Ingo Schulze
dtv (2024)
362 Seiten : Illustrationen
kt.