Wilderer

Der neue - mittlerweile achte - Roman des 1982 geborenen Autors Reinhard Kaiser-Mühlecker schließt an den 2016 für den Deutschen Buchpreis nominierten Vorvorgänger "Fremde Seele, dunkler Wald" (BP/mp 16/954) an. Diesmal steht allein der junge Landwirt Wilderer Jakob und nicht der Karriere machende Bruder Alexander im Mittelpunkt. Jakob bewirtschaftet den heruntergekommenen Hof seiner Eltern in Oberösterreich. Jeden Morgen setzt er sich die mit einer Patrone geladene Pistole seines Großvaters an die Stirn, drückt ab und wundert sich, dass nicht passiert, worauf er wartet. Eines Tages platzt Katja in sein Leben, eine Künstlerin, die als Stipendiatin ins Dorf kommt, Jakob kennt sie von Tinder. Er macht ihr den Hof, auch im wörtlichen Sinne; sie heiraten und bekommen einen Sohn, Jakob erlangt das Erbe der Großmutter, das diese ursprünglich einer rechtsextremen Partei vermachen wollte, aus dem schäbigen Hof soll ein biodynamischer Musterbetrieb werden. Kann das gutgehen? - Behutsam und erzählerisch verdichtet entwickelt Reinhard Kaiser-Mühlecker ein Szenario kaum unterdrückter Gewalt- und Kriegsphantasien. Ein Motiv ist der wildernde Hund. Es wird viel gewildert in diesem Roman, die Stadt wächst mit einer Autobahnbrücke übers Land, Katja wildert in Jakobs Leben, Jakobs Halbschwester erinnert an den verwilderten Vater. Und Jakob selbst, der unberechenbar bleibt, verrichtet sein Tagewerk zwischen Frustintoleranz, Kreativitätsblockaden, Workoholism. Der Erzähler achtet dabei wie Stifter auf pflichtbewusste Details und wie Bernhard auf die Abgründe des Landlebens. - Ein zorniges Buch über ein Leben in der Sackgasse, ein scheiternder Bildungsroman auf dem Lande, eine tieftraurige Liebesgeschichte.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Wilderer

Wilderer

Reinhard Kaiser-Mühlecker
S. Fischer (2022)

349 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 609164
ISBN 978-3-10-397104-0
9783103971040
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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