Schwarzer Flieder
Reinhard Kaiser-Mühlecker ist ein Erzähler der lautlosen Katastrophen und langsamen Auslöschungen. Dieses Thema spitzt er in seinem fünften Roman zu. Es geht, wiederum im Milieu eines österreichischen Familiengehöfts, um das im doppelten Sinne
schuldbeladene Erbe des Vaters und um des Sohnes Versuch, sich davon zu befreien. Ferdinand, die Figur im Mittelpunkt, ist der Letzte seines Geschlechts. Den Hof in Rosental hat er verlassen (davon erzählt der Vorgängerroman Kaiser-Mühleckers, "Roter Flieder", in BP/mp nicht bespr.) und in Wien eine gute Stelle als Agrarökonom angetreten. Als sich seine Verlobte das Leben nimmt, flieht er nach Bolivien, wo sein Vater verstorben ist, und arbeitet in einer Kinderstation. Ein Totschlag innerhalb der Familie ruft ihn zurück in die Heimat. Dort reißt er den elterlichen Hof ab und verkauft die Felder. Am Ende kennt man ihn kaum noch im Dorf. Reinhard Kaiser-Mühlecker erzählt diese Geschichte vom Verschwinden unaufdringlich und mit präzisem Sinn für Symbolik. Der nicht blühende Flieder um Ferdinands Hof steht für ein verdorrtes Leben. Doch nicht Fatalismus, sondern ein ausgeprägtes Talent für Geschichten von Trauer und Revolte (das an den Großmeister Thomas Bernhard erinnert) zeichnet diesen Roman aus. Allen Beständen empfohlen.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.

Schwarzer Flieder
Reinhard Kaiser-Mühlecker
Hoffmann und Campe (2014)
236 S.
fest geb.