Jagd nach einem Schatten
Samuel ben Nissim alias Guglielmo Raimondo Moncada alias Flavio Mitridate war ein italienischer Gelehrter und Kirchenmann im 15. Jh. Sein wechselvolles Leben haben Historiker aus Quellen bruchstückhaft rekonstruiert, Andrea Camilleri füllt die dürren Fakten mit romanhafter Phantasie. Dabei fasziniert ihn vor allem die chamäleonartige Wandlungsfähigkeit des Mannes, der im Lauf seines Lebens immer wieder in neue Rollen schlüpft. Samuel wurde als Sohn eines Rabbiners in Sizilien geboren. Er fiel früh auf durch seine Bildung, seine Klugheit und seine Sprachkenntnisse. Er konvertierte zum katholischen Glauben, empfing die niederen Weihen und stieg in der Kirchenhierarchie schnell auf. Nach der Verwicklung in Unterschlagungen und dem mutmaßlichen Mord an einem jüdischen Geldverleiher tauchte er unter. Jahre später erschien er als Flavio Mitridate wieder auf der Bildfläche und wurde zum Lehrer von Pico della Mirandola. - In dem schmalen Bändchen malt Camillieri die Zeit der Renaissance mit dem prallen Lebensgenuss, der Entdeckung der Gelehrsamkeit und roher Gewalt sehr realistisch aus. Dass die katholische Kirche dabei nicht immer der Hort der Tugend war, ist hinreichend bekannt und dürfte niemanden überraschen. Ein Schmankerl für historisch interessierte Leser. (Übers.: Annette Kopetzki)
Marion Sedelmayer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Jagd nach einem Schatten
Andrea Camilleri
Nagel & Kimche (2018)
197 S.
fest geb.