„Wie viele Dinge es doch gibt, die ich nicht brauche“, soll bereits einst der griechische Philosoph Sokrates gesagt haben. Mit dieser Ansicht steht er nicht allein da. Ausmisten und Reduktion liegen im Trend. Kleiderschränke werden entrümpelt, Arbeitszeiten reduziert und Menschen ziehen in Tiny-Häuser, um das „einfache Leben“ kennenzulernen. Bereits seit einigen Jahren ist Minimalismus nicht nur als Begriff aus der Architektur bekannt, sondern verspricht vielmehr einen Lebensstil, dem sich gerade junge Menschen immer mehr zuwenden.
Doch was hat es mit dieser Abkehr von Konsum, hin zu mehr Nachhaltigkeit und Kritik an der Kurzlebigkeit vieler Gebrauchsgüter auf sich? Und ist Minimalismus vielleicht sogar ein Modell, welches den Sprung vom Trend hin zu einer langfristigen Lebensphilosophie schaffen kann?
Was ist denn überhaupt Minimalismus?
Eine genaue Definition für den Lebensstil Minimalismus gibt es nicht. Dafür ist die Entwicklung zu vielfältig und bunt. „Weniger ist mehr“ kann man aber dennoch als das oberste Credo ansehen. Minimalismus bedeutet für viele Menschen allerdings noch weit mehr als das Aussortieren von Gegenständen. Der Minimalismus streift diverse Strömungen, wie beispielsweise Veganismus, Frugalismus, die Zero-Waste-Bewegung oder das Leben als digitale Nomaden.
Die Vorstellung lediglich noch 100 Teile zu besitzen, funktioniert zwar in Filmen wie „My Stuff“ oder „100 Dinge“, bei denen die Protagonisten bis aufs Minimum ihren Besitz abgeben, für den alltäglichen Gebrauch ist diese Radikalität aber selten bis kaum praktikabel. Wie aber sieht der Alltag und die Einstellung eines/einer Minimalisten/Minimalistin aus?
Schaut man sich im Internet um, so findet man auf Blogs, auf YouTube oder in Foren die unterschiedlichsten Menschen, die den Minimalismus für sich entdeckt haben. Es geht nicht darum zu konkurrieren, wer am wenigsten hat, vielmehr steht der Minimalismus für eine Lebensansicht, bei der hinterfragt wird: Habe ich nicht schon genug? Was benötige ich wirklich? Macht mich mein Besitz glücklich? Wem/Was widme ich meine Zeit und wie lauten meine Werte?
Vorteile des Reduzierens
Sind wir nicht alle immer wieder erstaunt, wie wenige Dinge wir benötigen, wenn wir im Urlaub sind? Zwei Handtücher, ein paar Kleidungsstücke, eine Zahnbürste und Duschzeug sowie das Handy und das Portemonnaie, viel mehr brauchen wir in der Ferne oftmals nicht. Wäre es nicht verlockend, dieses Gefühl der Urlaubsleichtigkeit auch zu Hause zu verspüren?
Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Frustkäufe hat fast jeder schon einmal getätigt. Viele von uns kennen die Kleidungsstücke im Schrank, an denen das Etikett noch befestigt ist und wenn wir abgelaufene Lebensmittel im Schrank finden, fühlen wir uns schuldig. Doch sich schuldig zu fühlen, bringt die Gesellschaft nicht weiter. Vielmehr sollte man die Chancen erkennen, die das Reduzieren im eigenen Lebensraum mit sich bringen.
Ist es ordentlich um einen herum, bringt diese äußere Ordnung auch eine innere Klarheit mit sich. Durch Unordnung ist der Geist schneller abgelenkt. Wird aufgeräumt und entrümpelt, fällt es leichter, sich auf das Wesentliche zu fokussieren und die eigenen Prioritäten neu zu setzen.
Bei geringerem Konsum ist auch weniger Geld vonnöten. Dieses kann gespart werden oder man entscheidet sich dafür, die Arbeitszeit zu reduzieren.
Wird sich weniger auf Einkaufserlebnisse und die damit einhergehende Benutzung und Pflege der erstandenen Produkte konzentriert, bleibt mehr Zeit für eigene Projekte, soziale Kontakte, das Sein in der Natur, zum Lesen……die Liste kann an dieser Stelle beliebig fortgeführt werden.
Aber auch hier kann schnell neuer Druck entstehen. Versuchen Sie einmal sich von Ihrem (imaginären) Stapel ungelesener Bücher zu lösen, arbeiten Sie sich nun nicht am Freizeitstress ab. Ziel ist es, das was man macht gerne zu tun und im Moment zu sein, nicht wieder bereits in Gedanken beim nächsten Buch, dem nächsten Treffen oder Projekt zu verweilen.
Und letztlich bringt die Reduktion nicht nur für einen persönliche Vorteile. Lebt man minimalistisch, spart dies Ressourcen und ist somit gut für die Umwelt.
Minimalismus in der Literatur- und Medienwelt
Machen wir an dieser Stelle ein kurzes Gedankenexperiment: Denken Sie nun an Ihre Lieblingsfigur aus der Literatur. Sie können auch gerne einen Charakter aus Film und Fernsehen wählen, wenn Ihnen das lieber ist.
Überlegen Sie einmal: Wie lebt diese Figur? Was zeichnet sie aus? Was tut sie in der Geschichte?
Ich wüsste zu gern, an wen Sie gerade gedacht haben. Und die viel spannendere Frage gleich dazu: Hatten Sie nun die Besitztümer dieses fiktionalen Charakters im Kopf oder doch eher seine Handlungen? Viele (Super)Helden in der Literatur- und Medienwelt sind minimalistisch unterwegs, wie sollte man auch Abenteuer erleben, wenn man zu viele Dinge hätte, um die man sich permanent kümmern müsste?
Schauen wir uns als minimalistischen Protagonisten beispielsweise Peter Lustig an, der das einfache Leben bereits in den 1980er Jahren in seinem Bauwagen vorgelebt hat. Peter war einer der ersten, der das Tiny-Haus-Leben publik machte und dem es dabei hervorragend ging. Oder haben Sie den Mann in der blauen Latzhose jemals gestresst erlebt?
In seiner Sendung „Löwenzahn“ setzte sich Peter schon früh mit der Begrünung einer Stadt auseinander (Episode 88: Peter baut sich grüne Wände). In einer anderen Folge überlegte er, wie sich Energie sparen lässt (Episode 67: Peter spart Energie) und auch dem Thema Müllvermeidung kam Peter früh auf die Spur (Episode 25: Lauter alte Schachteln). Für all seine Abenteuer, spannenden Experimente und Begegnungen hätte Peter gar keine Zeit gehabt, wäre er permanent mit Fernsehen, Konsum und einer 60-Stunden-Arbeitswoche beschäftigt gewesen.
Jeder kann etwas tun – auch kleine Schritte sind wichtig!
Und das kann man wörtlich nehmen. Lassen Sie so oft es geht das Auto stehen und benutzen Sie stattdessen das Fahrrad, die öffentlichen Verkehrsmittel oder gehen Sie einfach zu Fuß.
Weitere Tipps, wie man anfangen kann, minimalistischer (und dabei nachhaltiger) zu leben:
- Plastikfrei einkaufen. Wir sind es so gewohnt, Obst und Gemüse in Plastiktüten zu kaufen, dass wir die Alternativen oftmals aus dem Blick verloren haben. Kaufen Sie ohne Plastiktüte drumherum, gehen Sie auf den Wochenmarkt oder schauen Sie nach alternativen Verpackungen.
- Reparatur anstatt Neuanschaffung. Auf die Jeans kommt ein Flicken, das Elektrogerät kann vielleicht repariert werden. Gerade in Städten gibt es immer mehr „Repair-Cafés“. Dort treffen sich Leute, die Spaß am Tüfteln und Werkeln haben und mit Ihnen gemeinsam schauen, ob Ihr Gerät wieder funktionsfähig gemacht werden kann.
- Keine Fast-Fashion-Käufe mehr. Durch hochwertige, langlebige Produkte lassen sich Fast Fashion-Käufe reduzieren/vermeiden.
- Abos hinterfragen. Wir streamen Filme auf Netflix oder Amazon, sind Mitglieder im Fitnessstudio und bekommen monatlich eine Zeitschrift geliefert, für die wir uns doch nicht die Zeit nehmen sie zu lesen. Auch hier gilt: Brauche ich das wirklich?
- Einkaufen mit Einkaufsliste. Wer von Ihnen ist schon einmal hungrig durch den Supermarkt geschlendert und hat dabei die ein oder andere Leckerei in den Warenkorb fallen lassen, die sonst nie den Weg dort hineingefunden hätte? Lustkäufe passieren jedem von uns. Das ist klar, denn darauf hat es der Handel mit seinen leuchtenden Sonderangeboten oder spannenden, limitierten Editionen angelegt. Versuchen Sie doch einmal sich im Vorfeld einen konkreten Plan zu machen, was Sie wirklich brauchen und gehen Sie mit dieser Liste einkaufen. Wenn Sie sich genau an diese Produkte halten, werden Sie überrascht sein, wie wenig Sie nur noch wegwerfen werden.
- Fernseher aus. Schalten Sie ab und gehen Sie raus in die Natur, um etwas zu erleben.
Und was jetzt?
Nicht jeder von uns wird sich bis aufs Minimum reduzieren können, in ein Tiny-Haus ziehen oder komplett plastikfrei leben. Das ist auch gar nicht das Ziel. Dennoch ist der Minimalismus ein Trend, der das Zeug dazu hat, sich als Lebensstil durchzusetzen. Es geht um das Bewusstsein unser aller Konsumverhalten und dessen Konsequenzen.
Beim Minimalismus geht es nicht ums Extreme, sondern um die Rückkehr zu dem, was wir einmal hatten: Nicht über unsere Verhältnisse zu leben und somit keinen Raubbau an unser aller Zuhause, der Erde zu betreiben.
Wenn wir ehrlich sind, haben wir auch gar keine andere Wahl, denn unser Klima kippt und die Ressourcen werden knapper. Laut Angaben des Global Foodprint Network bräuchten wir knapp drei Erden, wenn jeder Mensch auf der Welt so konsumieren würde wie wir in Deutschland, um den Bedarf decken zu können. Unsere Alarmglocken sollten schrillen! Denn die Verantwortung gegenüber nachkommenden Generationen sowie der Tier- und Pflanzenwelt ist eine, die wir als Gesellschaft übernehmen und tragen müssen. Die gute Nachricht ist: Jeder kann etwas dafür tun, denn mit vielen kleinen Schritten lässt sich gemeinsam Großes erreichen. In diesem Sinne, bleiben Sie genügsam!