Warum die Deutschen? Warum die Juden?

Die Ermordung von sechs Millionen Menschen, nur weil sie Juden waren, gibt in mancherlei Hinsicht immer noch Rätsel auf. Der bekannte Historiker Götz Aly schiebt alle sozialwissenschaftlichen Theorien beiseite und macht die Todsünde des Neids für den seit 1800 immer stärker werdenden Judenhass verantwortlich. Ihre Emanzipation habe den Juden die Gymnasien und Universitäten geöffnet und ihnen einen Bildungsvorsprung ermöglicht, den die jüdische Minorität überproportional für ihren wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Aufstieg nutzte. So seien Sozialneid und Selbstunsicherheit der Majorität die entscheidenden Antriebskräfte des deutschen Antisemitismus geworden, der in Verbindung mit den Möglichkeiten moderner Wissenschaft und Herrschaftstechnik in den Holocaust mündete. Der Autor argumentiert temperamentvoll, formuliert elegant, sammelt interessante zeitgenössische Stimmen und bemüht zuweilen auch die eigene Familiengeschichte, um seine Hauptthese zu untermauern. So ist eine lohnende Lektüre entstanden, die ihren Platz wenigstens in ausgebauten Beständen finden sollte.