Volk ohne Mitte
Der Autor versucht als Historiker, Erklärungen zu finden, wie es im "Kontinuum der deutschen Geschichte" zu dieser verbrecherischen Phase zwischen 1933 und 1945 kommen konnte und warum danach das millionenfache Mitläufertum - Uwe Johnsons Typ Alfred Fretwurst aus seinem Werk "Jahrestage" wird zum Synonym für das Verhalten dieser Menschen - verharmlost, beschönigt oder sogar geleugnet wurde. In dieser Zusammenstellung von Aufsätzen, Vorträgen und Zeitungsartikeln skizziert er die Sichtweise Ludwig Börnes (1786-1837) auf seine deutschen Landsleute und die Berliner Judenverbrennung von 1510. Er erörtert mit vielen Beispielen die räuberische Arisierung jüdischen Eigentums und die kritischen Gedanken des Nationalökonomen Wilhelm Röpke über die NS-Herrschaft. Heftig kritisiert er den Korpsgeist der deutschen Historikerzunft, insbesondere Theodor Schieder und Werner Conze, sowie die Blockade der Max-Planck-Gesellschaft beim Umgang mit den Gehirnen von Euthanasieopfern. Das materialreiche Buch stellt unbequeme, aber wichtige und auch heute noch notwendige Fragen. Lesenswert auch für die Generation der Nachgeborenen.
Helmut Eggl
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Volk ohne Mitte
Götz Aly
S. Fischer (2015)
265 S. : Ill.
fest geb.