Europa gegen die Juden

"Wer etwas von den vielen Voraussetzungen (des Holocaust) verstehen möchte, sollte den mit Abstand erschreckendsten Genozid des 20. Jahrhunderts nicht aus dem Kontinuum der deutschen und der europäischen Geschichte herauslösen". Mit dieser Aussage Europa gegen die Juden bekräftigt der Historiker und Journalist Götz Aly seine Überzeugung, dass der Antisemitismus als gesamteuropäisches Phänomen gesehen werden muss. In neun, spannend und gut zu lesenden Kapiteln, in denen er sich fast nur auf zeitgenössische Quellen beruft, legt Aly dar, dass nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas gegen Ende des 19. Jh. der Hass auf Juden sichtbar wurde, der sich in alltäglicher Diskriminierung, Vertreibung und Ermordung offenbarte. Aggressiver Nationalismus sowie wirtschaftliche und soziale Spannungen vor, in und nach dem Ersten Weltkrieg führten in zahlreichen Ländern zu Überlegungen, wie man die jüdische Bevölkerung loswerden könnte. Und so stieß auch dort die gegen die Juden gerichtete NS-Politik kaum auf Ablehnung, meist sogar auf allgemeine Zustimmung. Und selbst die NS-Vernichtungspolitik bis hin zum Mord an 6 Millionen europäischer Juden - so der Autor - wurde oft von Regierungen, Behörden und Teilen der Bevölkerung der verbündeten bzw. besetzten Länder mitgetragen, z.T. noch intensiver und brutaler gehandhabt. In seiner gut recherchierten Argumentation gibt Aly viele aufschlussreiche Informationen, veranschaulicht ursächliche Zusammenhänge, bietet eigenwillige Interpretationen und liefert eine Menge Stoff zu Diskussionen. - Für kritische Leser, die den Text so aufmerksam lesen, dass sie ihn nicht als Relativierungsversuch missverstehen können, ist dieses Buch eine Bereicherung.

Inge Hagen

Inge Hagen

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Europa gegen die Juden

Europa gegen die Juden

Götz Aly
Fischer (2017)

430 S.
fest geb.

MedienNr.: 588871
ISBN 978-3-10-000428-4
9783100004284
ca. 26,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Ge
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