Jáchymov

Den neuen Roman des österreichischen Schriftstellers (Jahrgang 1955) leiten Traumsequenzen ein, in denen Verlustängste vorherrschen. Von deren Berechtigung erzählt der Autor in einer Realität und Fiktion vereinenden Familiengeschichte, die mit Jáchymov der politischen Entwicklung in der Tschechoslowakei der 50er/60er Jahre verbunden ist. Wenn einer seiner Protagonisten, der Verleger Anselm Findeisen, die Tochter eines populären tschechoslowakischen Eishockeyspielers drängt, über ihren zur Schwerstarbeit im Uranbergbau verurteilten Vater zu berichten, liegt dieser Bemühung nicht nur geschäftliches Interesse zugrunde. Vielmehr möchte er auf die Janusköpfigkeit des als Radiumheilbad genutzten Jáchymov, einstmals St. Joachimsthal, hinweisen, in dessen Minen Tausende Zwangsarbeiter und politische Häftlinge radioaktiv verstrahlt wurden. Obwohl der Autor ein authentisches Schicksal in den Mittelpunkt rückt, löst die Lektüre kaum Betroffenheit aus. Im Gegenteil: Verärgerung stellt sich ein, wenn zu detailliert über Eishockeyspiele und -spieler berichtet wird. Auch die konzeptionelle Idee Haslingers, das Manuskript der Tochter unaufbereitet einzuarbeiten, fördert weder Dynamik noch Spannung. Dass die Prosa trotz der die literarische Qualität betreffenden Einwände ihre Leser finden möge, ist dem gegen das Vergessen geschriebenen Roman zu wünschen.

Kirsten Sturm

Kirsten Sturm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Jáchymov

Jáchymov

Josef Haslinger
S. Fischer (2011)

270 S.
fest geb.

MedienNr.: 349542
ISBN 978-3-10-030061-4
9783100300614
ca. 19,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
Diesen Titel bei der ekz kaufen.