Der diskrete Charme der Bürokratie
Der Verfasser dieser von Optimismus getragenen Diagnose der augenblicklich stagnierenden Entwicklung Europas ist in Ostberlin aufgewachsen, hat in London studiert und als Politikwissenschaftler in Brüssel, London, Turin und Genf für verschiedene europäische Organisationen gearbeitet, lebt aber jetzt wieder in Berlin. So verfügt er über beste Voraussetzungen, um das Thema Europa anzugehen. Er schreibt leicht verständlich und humorvoll, formuliert manchmal etwas flapsig und kommt immer wieder auf persönliche Erlebnisse zu sprechen. Immer wieder weist er darauf hin, aus welch katastrophaler Lage sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Situation Deutschlands zum Besseren entwickelt hat und wie die nationalen Grenzen Europas immer durchlässiger wurden. Er erinnert daran, dass nicht nur der Tourismus die Grenzen längst überwand, sondern auch der Sport, die Musikszene, die Architektur und vieles mehr. Er zeigt, wie von den viel gescholtenen Brüsseler Bürokraten viel Gutes kam und die Kritik oft unüberlegt und unberechtigt ist. Wilkens will Optimismus verbreiten und Mut machen für einen weiteren Ausbau der EU mit einem eigenen Wirtschaftsminister. Er sieht viele Einsparmöglichkeiten bei der Abschaffung überholter nationaler Einrichtungen und plädiert für ein europäisches Heer mit einheitlicher Ausrüstung. Am Schluss seiner Anregungen beschreibt er satirisch, wie Europa nach seiner Vorstellung aussieht, wenn die EU scheitert und die Entwicklung rückwärtsgeht. - Allen Büchereien zu empfehlen.
Hans Niedermayer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der diskrete Charme der Bürokratie
Andre Wilkens
Fischer (2017)
315 S. : Ill.
fest geb.