Der Abfall der Herzen

Nagel, so der Spitzname des Ich-Erzählers, wurde gerade von seiner langjährigen Freundin verlassen. Eigentlich hatten beide eine offene Beziehung, in der Fremdgehen kein Thema war. Liebe wurde aber schon eins, als sich Nina in Timo verliebt. Nagel Der Abfall der Herzen verliert sich weiterhin in eher pubertären Exzessen und leidet. Das beschreibt er ausführlich in Rückblenden. Dabei spielt Alkohol eine große Rolle, seine Musik-Band, seine Freunde und ein Leben jenseits bürgerlicher Konventionen (man fragt sich allerdings, ob dazu auch Ekelerregendes nötig ist wie die detaillierte Beschreibung von kotzenden Mitfahrern oder ein gebrauchter Tampon im Orangensaft). Die Stärke des Autors ist eine gnadenlose Analyse von Menschen und Ereignissen, auch gesellschaftlichen. Dabei schont er auch nicht die eigene Unfähigkeit, den Anspruch eines "freien Leben" durchzuhalten und die eigenen Gefühle daran anzupassen - bei allem Eintreten für freie Liebe wird er doch von heftiger Eifersucht geplagt. Das ganze beschreibt er immer aus der Sicht des Künstlers, bei dem Song- und Gedichttexte seine eigenen Gefühle auslösen oder hinterfragen. Sprachlich ist der autobiografische Roman eindrucksvoll, erzählerisch gelegentlich wütend und mit einer Absage an das bürgerliche Leben, dem viele seiner Freunde sich beim Treffen nach 16 Jahren doch zugewendet haben. Als Bilanz des Lebens in allgemeinem Überfluss und Überdruss und der Suche nach alternativen Lebensentwürfen eventuell interessant.

Lotte Schüler

Lotte Schüler

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Der Abfall der Herzen

Der Abfall der Herzen

Thorsten Nagelschmidt
Fischer (2018)

444 S.
fest geb.

MedienNr.: 877725
ISBN 978-3-10-397347-1
9783103973471
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
Diesen Titel bei der ekz kaufen.