Kurt
Als Lena sich in Kurt verliebt, bekommt sie nicht nur einen, sondern gleich zwei Kurts, denn ihr Freund hat einen sechsjährigen Sohn, für den er sich das Sorgerecht mit seiner Ex-Partnerin teilt. Das Arrangement funktioniert ganz gut. Der große Kurt nimmt seine Verantwortung für den kleinen sehr ernst, kann Lena sogar überzeugen, aus Berlin wegzuziehen und ein kleines, renovierungsbedürftiges Häuschen in dem kleinen brandenburgischen Ort zu ersteigern, in dem sein Sohn zur Schule geht. Lena stürzt sich in die Gartengestaltung und sucht intensiv nach ihrer Rolle in der neuen Familienkonstellation, fragt sich ständig, was sie als "Stiefmutter" darf und was nicht. Bevor sie dies endgültig klären kann, stürzt Kurt jr. von einem Klettergerüst und stirbt. Von da an ist nichts mehr, wie es war, die Trauer übermannt den Vater mit Wucht, und er wird für Lena emotional unerreichbar. All ihre Versuche, Trost und Beistand zu geben, laufen ins Leere und gleichzeitig weiß sie nicht, wohin mit ihrer eigenen Traurigkeit. Auch sie hat den Jungen geliebt, hat aber keine Ahnung, ob ihre Gefühle relevant sind. Doch sie gibt ihre große Liebe nicht auf, und ganz allmählich zeigt ihre behutsame Beharrlichkeit doch Wirkung: Ihr Kurt findet ins Leben zurück. - Sarah Kuttner hat sich wieder einmal einem schwierigen Thema verschrieben und meistert es mit Brillanz. In ihrem bewegenden Trauerbuch wechseln sich kluge und humorvolle Sätze ab, viele möchte man notieren. Ihre Protagonisten zeigen ehrliche und nachvollziehbare Gefühle, ihre Lena erzählt, wie es eine gute Freundin tun würde, in einer sanften, aber ungekünstelten, deutlichen und nahbaren Sprache. Ganz innige Empfehlung für dieses schöne, herzzerreißende Buch.
Susanne Steufmehl
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Kurt
Sarah Kuttner
Fischer (2019)
239 S.
kt.