Ich erwarte die Ankunft des Teufels
Erstmals ins Deutsche übersetzt erscheint nun das Tagebuch der 19-jährigen Mary MacLane, das vier Monate ihres als ungeheuerlich langweilig empfundenes Leben im US-amerikanischen Montana der Jahrhundertwende seinen Leser/innen ausbreitet. In ungehemmter Selbstüberhöhung stellt sich Mary als Genie, ausgehungerte Seele und ausgezeichneten, starken, jungen Frauenkörper vor. Rational und wissenschaftlich beschreibt sie Land und Landschaft, Leute und Schichten ihrer Umgebung. Immer überheblich, immer mutiger als man zugestehen möchte. MacLane's Denken ist grenzenlos und sprengt sie damit. Auch Emanzipation und Feminismus erscheinen neben ihren Urteilen und ihrem Auftreten niedlich. Was ihr noch Contra geben mag und sie letztlich einzig reizt, ist der Teufel. So ersehnt sie als Liebhaber und Ansprechpartner nun auch Napoleon herbei. Offensichtlich macht sie die Sprache zu einem starken Ausdrucksmittel. MacLane gelingt das, was sie beansprucht: Aufmerksamkeit, Selbstbewusstsein und Unverschämtheit. Dass da auch ein wenig Show dahintersteckt, mag man als pubertäre Nachwehen empfinden, dennoch ein Zeitzeugnis, welch weibliches Potenzial nicht erst Ende der 60er Jahre Öffentlichkeit suchte. Provokant.
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ich erwarte die Ankunft des Teufels
Mary MacLane ; aus dem Amerikanischen übersetzt und mit einem Nachwort von Ann Cotten ; mit einem Essay von Juliane Liebert
Reclam (2020)
205 Seiten
fest geb.