Der Lügenpresser

Doktor Karl Schmied, Redakteur für Außenpolitik bei einer österreichischen Zeitung, reflektiert in diesem kurzen Roman der Wiener Autorin über eine schicksalhafte Woche seines Lebens. Das Zusammenleben mit Sonja, seiner Freundin aus Moldawien, mit der er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich aufrichtige Liebe erfährt, malt er sich in den schönsten Farben aus. Er träumt von einem gemeinsamen Urlaub, ja sogar von einer Hochzeit. Am Ende die große Enttäuschung, denn als Schmied ihr seine Pläne offenbart, gesteht sie, dass sie bei einem zweifelhaften Begleitservice gearbeitet hat. Sie will außerdem zurück in ihre Heimat, wo sie eine erwachsene Tochter hat. Die andere Enttäuschung ist beruflicher Natur. Er wird überraschend mittels einer schnöden Mail in den Ruhestand versetzt. Seine Rache ist ein perfider Fake im Onlineportal der Zeitung, mit der er seiner Geliebten - was nicht ganz nachvollziehbar ist - ebenso wie der Zeitung - was man gut verstehen kann - Schaden zufügt. Er wird zum "Lügenpresser"! Dies ist nur der äußere Rahmen für ein beinahe Thomas-Bernhardsches Räsonnieren über Gott und die Welt, Gesellschaft und Staat, seine Mitarbeiter und Chefs: "Aber ich bin ja längst auch eine Minderheit im eigenen Land, mich vertritt überhaupt niemand. Nicht diese Öko-Chaoten, nicht die Gender-Hysterikerinnen und die Rechten auch nicht". (S.83) Er sieht sich zwar als Mann der Mitte, vertritt aber vielfach die Meinung des sogenannten "Mannes auf der Straße", z.B. wenn es um Migranten oder Schwule geht, und er bedient sich dann auch eines entsprechend deftigen wienerischen Jargons. Das liest sich ganz unterhaltsam. Es handelt sich natürlich um reine Rollenprosa eines 62-jährigen "Raunzers". Und insofern kann man es akzeptieren, dass oft unverhohlen wohlfeile Stammtischparolen aufgetischt werden.