Leise Musik hinter der Wand
Adas Großeltern stammen noch aus altem russischem Adel, den sie nach der Revolution verleugnen mussten. In den Siebzigerjahren heiratet Ada den Medizinstudenten Ossja, der sie bald langweilt. Insgesamt fühlt sie sich unzufrieden, bis ihre Freundin Mirka zu ihrem 25. Geburtstag einen Nachbarn mitbringt: Leonard, 37 Jahre alt, verheiratet und KGB-Mann. Beide verlieben sich, und Ada ist zum ersten Mal richtig glücklich. Nach Gorbatschows Perestroika verliert Leon seine Arbeit und in Ada erwacht ihr vom Großvater vererbter Geschäftssinn: Sie eröffnet ein gewinnbringendes Restaurant in Moskau. Als Leon zehn Jahre später stirbt, fühlt Ada wieder die große Leere. Freundin Mirka bringt sie nun mit dem Bildhauer und ehemaligen Dissidenten Swerjew zusammen. Sie richtet ihm ein Atelier ein und wird seine geschäftliche Verhandlungspartnerin. - In groben Strichen zeichnet Viktorija Tokarjewa (geb. 1937) vor dem Hintergrund der sich verändernden russischen Gesellschaft ein Leben nach, dessen großes Thema die Liebe ist. "Ada vertrocknete ohne Zärtlichkeit. Lieben und geliebt werden, das war ihre Selbstverwirklichung." Ihre Freundin Mirka, selbst ungeliebt, vergleicht die unpolitische Ada mit Tschechows "Herzchen" aus der gleichnamigen Erzählung, ebenso eine russische Frauenfigur, die nicht ohne die Liebe sein kann. - Für literarisch interessierte LeserInnen. (Übers.: Angelika Schneider)
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Leise Musik hinter der Wand
Viktorija Tokarjewa
Diogenes (2013)
170 S.
fest geb.