Der belgische Konsul
Was geht einem jungen Mann durch den Kopf, der vor einem Erschießungskommando steht? 28 Lebensjahre passieren Revue – so beschreibt es der Ich-Erzähler dieses Romans. Der junge Mann ist Pierre Nothomb, der Vater der Autorin, als „belgischer Konsul“ hat er 1964 seine erste Stelle in Stanleyville im gerade unabhängig gewordenen Kongo. Rebellen nehmen am 6.8. alle Weißen (1.500) als Geiseln. Er erwartet nun, das Schicksal seines Vaters zu teilen, der nicht älter als 25 Jahre geworden ist. Die Leser/-innen begleiten Pierre N. durch den Rückblick auf dessen Leben. Sie lernen die wunderschöne, aber eher gefühlskalte Mutter kennen, die Großeltern (Großvater General) in Brüssel, bei denen er aufwächst, die Großeltern väterlicherseits in einem alten Schloss (Großvater Dichter) sowie dessen Kinder, seine Onkel und Tanten z.T. so alt wie er selbst, bei denen er die Ferien "zur Abhärtung" verbringt, sein Problem, angesichts von Blut ohnmächtig zu werden, seine erste große Liebe und die Hindernisse vor der Heirat, das große Glück, Vater zu sein, da er nie einen Vater hatte. Amélie Nothomb lässt ihren Vater leicht, sich selbst reflektierend, z.T. amüsant erzählen. Der kleine Roman macht Freude beim Lesen, vermittelt noch einmal den Blick auf einige gesellschaftliche Gepflogenheiten und politische Ereignisse im 20. Jh.
Barbara Schürmann-Preußler
rezensiert für den Borromäusverein.
Der belgische Konsul
Amélie Nothomb ; aus dem Französischen von Brigitte Große
Diogenes (2023)
142 Seiten
fest geb.