Ein Irokese am Genfersee
Mit der Unabhängigkeit Kanadas von Großbritannien ist die Autonomie der Six Nations am Grand River, die ihnen von der Krone zugesichert worden war, bedroht. Als ihr Sprecher reist der Irokesen-Chief Deskaheh 1923 nach Genf, um die Unterstützung des Völkerbundes für die Sache zu gewinnen. Weil sich das kompliziert gestaltet, wendet er sich an die Öffentlichkeit in der Schweiz und hält zahlreiche Vorträge. Dabei unterstützt ihn die ledige Genferin und Übersetzerin Hedwige. - Der Autor nutzt für die Schilderung dieser wahren Begebenheit als Rahmenhandlung die Recherchen der Staatsanwältin Hadimann, die bei einer Hausdurchsuchung auf ein altes Foto eines Indigenen mit stattlichem Federschmuck stößt. Sie, die als Kind leidenschaftlich "Indianer" gespielt hatte, ist fasziniert von Deskaheh und seines über ein Jahr dauernden Aufenthalts in der Schweiz. In ihrer Vorstellung werden seine Aktivitäten plastisch und die Begegnungen mit sowohl wohlwollenden als auch abwertenden paternalistisch-eurozentrischen Personen beidseits des Ozeans lebendig. Nebenbei erfährt man allerlei Interessantes aus der Zeit und die Frage, warum Deskaheh kurz nach seiner Rückkehr in die Heimat gestorben ist, sorgt für zusätzliche Spannung. Ein fesselnd erzählter Doku-Roman, nicht nur geschichtlich Interessierten gerne empfohlen!
Barbara Sckell
rezensiert für den Borromäusverein.
Ein Irokese am Genfersee
Willi Wottreng
Unionsverlag (2020)
Unionsverlag Taschenbuch ; 896
190 Seiten : Illustrationen
kt.