Glück besteht aus Buchstaben

"Es sei denn, man ist klüger / und hält sich gleich an Bücher", lässt sich (auf hessisch!) Robert Gernhardt vernehmen. Karin Schneuwly, die ein Literaturhaus betreut hat, ist davon offenkundig inspiriert. Sie hat ein Lese-Buch geschrieben, das Glück besteht aus Buchstaben im wahrsten Sinne eines ist: ein Buch über ihre Bücher und über ihre Leseerfahrungen. Es beginnt mit den Pixi-Bänden, dann vergrößern sich die Formate, wachsen die Geschichten, von "Heidi", "Nesthäkchen" und "Hanni und Nanni" über Thomas Manns "Tod in Venedig" bis zu Tolstois "Krieg und Frieden". Anschaulich und packend erzählt Schneuwly, wie sie in einem praktisch bücherlosen Elternhaus zum Lesen kam (auch durch ihre vorlesende Mutter), was gefährlich am identifikatorischen Lesen ist, warum Jelinek-Romane lustvolle Lektüren sind - und weshalb Glück aus Buchstaben besteht. Bücher als Zaubermaschinen, Lebenslektionen, Erzählanlässe: das alles ist wunderbar eingebettet in eine education sentimentale, eine Leselebensgeschichte, die statt auf große Gefühle auf gute Geschichten setzt, auch wenn sie tragisch enden wie im Falle des Freitods von Marek, dem liebenswürdigen und schweigsamen Bibliothekar, der Kuriosa sammelt. Also: Gernhardt hat recht! Sehr empfehlenswerte Lektüre.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Glück besteht aus Buchstaben

Glück besteht aus Buchstaben

Karin Schneuwly
Nagel & Kimche (2017)

207 S.
fest geb.

MedienNr.: 591789
ISBN 978-3-312-01041-7
9783312010417
ca. 18,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Li
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