Grimsey

Ein namenloser Erzähler durchwandert die winzige isländische, am Polarkreis gelegene Insel Grimsey. Er sei ein Inselsammler, wie er später einmal sagt. Und er hat einen Blick für das ästhetisch Besondere. Er fotografiert das Grün der Wiese, einen Grimsey grasüberwachsenen Schafstall, den letzten Streifen Licht zwischen Meer und Ufer. Immer wieder auftauchende tote Möwen irritieren ihn ebenso wie Unmengen sterbender Fliegen am Kirchenfenster. Sie beschwören Bilder vor seinem inneren Auge herauf. Auch Gerüche und Geräusche lassen seine Gedanken abschweifen, so dass in der Geschichte Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschwimmen. Man erfährt, wie der Junge einst am Ostseestrand vergängliche Inseln gebaut, als Student mit seinem Professor die freiheitsliebenden Vorsokratiker diskutiert und eine Zeit im Gefängnis verbracht hat. Damit hat er einiges mit seinem Autor gemein, der in der DDR wegen "staatsfeindlicher Hetze" verurteilt war. Der als Journalist und Lyriker mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Ulrich Schacht erzählt von der unspektakulären Wanderung in einer klaren, rhythmischen Sprache. Die fast absatzlosen Abschnitte erfordern Konzentration, doch wer Sprache liebt, wird an der poetischen Novelle Gefallen finden.

Karin Blank

Karin Blank

rezensiert für den Borromäusverein.

Grimsey

Grimsey

Ulrich Schacht
Aufbau (2015)

189 S.
fest geb.

MedienNr.: 582811
ISBN 978-3-351-03618-8
9783351036188
ca. 19,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
Diesen Titel bei der ekz kaufen.