Nina & Tom

Das Sterben eines geliebten Menschen zu beschreiben, das hat immer etwas sehr Sensibles und Intimes, der Grat zwischen Authentizität und Voyeurismus, zwischen Bloßstellung und Selbstdarstellung ist schmal. Tom Kummer, Schweizer Starjournalist und Nina & Tom Skandalautor, der mit erfundenen, aber für echt verkauften Interviews aufgefallen ist, gelingt diese Gratwanderung in seinem Bericht über Krankheit und Sterben seiner Frau Nina meistens gut, manchmal jedoch auch nicht. Nina ist Mitte Vierzig, als Darmkrebs bei ihr festgestellt wird, mit Sicherheit absolut tödlich. Sie und Tom sind schon viele Jahre zusammen, haben zwei halbwüchsige Söhne. Während Tom den Verfall seiner Frau beschreibt, seine Sehnsucht und seine Liebe, erinnert er sich in vielen Rückblenden an die Anfangszeit, als er die junge Frau in Barcelona kennenlernte. Die erste Zeit der Beziehung ist holprig, es muss sich erst zeigen, ob diese zwei Individualisten, die beide nicht zu viel Nähe zulassen wollen, dauerhaft zueinander passen. Tom ist von Anfang an besessen von der unangepassten, verschlossenen, rücksichtslosen Frau, die in jeder ihrer Lebensäußerungen exzessiv ist. Aber gerade das Extreme und das bewusst Nicht-Intellektuelle reizt Tom neben der großen sexuellen Anziehungskraft. Die Beschreibungen Ninas sexueller Unersättlichkeit und Rücksichtslosigkeit gehören natürlich zur Charakterisierung dieser unkonventionellen Frau, wirken allerdings dennoch manchmal gewollt und exhibitionistisch, und wenn Kummer beispielsweise schreibt: "Nina sagt kein Wort bis Braunschweig. Vor Dortmund bläst sie mir einen, und dann wieder vor Duisburg", dann fragt man sich als Leser schon das eine oder andere mal: Will ich das jetzt so genau wissen? Und: Ist das nicht vor allem eine Männerphantasie? Dennoch hat Kummer ein Buch geschrieben, das die Liebe feiert, auch die sexuelle Liebe, und sensibel darüber berichtet, wie der langsame Abschied von einer geliebten Person immer mehr Wirklichkeit wird. Wie viel davon Fiktion ist und wie viel tatsächlich autobiografisch, das ist am Ende für diese Liebesgeschichte unerheblich. Für aufgeschlossene Leser, die sich an drastisch beschriebenen Sexszenen nicht stoßen, eine durchaus lohnende Lektüre.

Ulrike Braeckevelt

Ulrike Braeckevelt

rezensiert für den Borromäusverein.

Nina & Tom

Nina & Tom

Tom Kummer
Blumenbar (2017)

252 S.
fest geb.

MedienNr.: 589421
ISBN 978-3-351-05035-1
9783351050351
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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