Verloren im Cyberspace
Die Cyberwelt ist zum Mittelpunkt unserer Lebens- und Arbeitswelt geworden. Die meisten verstehen aber Digitalisierung überhaupt nicht und wissen nicht so recht, was z.B. bei Google-Suchen oder Amazon-Kaufempfehlungen im Hintergrund passiert. Es ist ihnen in der Regel auch egal. Der Journalist und Philosoph Köhler präsentiert eine philosophische Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema. In seinem kritischen Werk führt der Autor die profitorientierte Cyberwelt des 21. Jh. als allgegenwärtige Alternative zur wirklichen Welt und den Cybermenschen als darin verlorenes fremdgesteuertes Wesen vor Augen und warnt leidenschaftlich davor, dass der Mensch in einer posthumanen Gesellschaft sein Menschsein verlieren könne. Umstrittene Entwicklungen und die Schattenseiten des Internets wie Killerspiele, Porno-Videos, Online-Gambling oder Chaträume werden detailliert beschrieben; Suchmaschinen nennt er Suchtmaschinen. Interessant ist seine Erkundungstour durch die digitale Welt und seine Einblicke in das malerische Leben der Garagentüftler im Silicon Valley oder auch sein Kapitel über den Missbrauch des Internets durch Trump, sein Blick auf die Rolle von Leibniz als Vorreiter der Digitalisierung und die Parallelen zwischen Nietzsches Übermenschen und dem Cybermenschen. Köhler zeichnet ein Schreckensbild der Technologie und warnt davor, wie hilflos der Mensch den Cybergiganten ausgeliefert ist. Die subjektive Gedankenreise in die Cyberwelt ist insgesamt extrem pessimistisch. Für Leser gesellschaftskritischer Stoffe in großen Büchereien möglich.
Günther Freund
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Verloren im Cyberspace
Joachim Köhler
Evangelische Verlagsanstalt (2020)
365 Seiten
fest geb.