Richard Wagner und die Deutschen
Unter der Flut der im Wagner-Jahr erscheinenden Darstellungen unternimmt der Historiker Sven Oliver Müller, Leiter der Forschungsgruppe zu Musik und Emotionen am Max-Planck-Institut Berlin, eine dezidiert geschichtliche Darstellung der Wirkungsweise von Wagners Schaffen in Deutschland. Über die Epochen Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittes Reich, Bundesrepublik und DDR sowie die Entwicklung nach der Wiedervereinigung spannt sich sein Mentalitätsgeschichte und ästhetische Wirkungsgeschichte zusammenführender Bogen. Dass dabei etwa gegenüber der vorzüglichen Arbeit von Udo Bermbach (2011) keine neuen Erkenntnisse hervortreten, tut der flüssig und ohne akademischen Nimbus vorgetragenen Darstellung Müllers keinen Abbruch. Eher schon ist die Ausblendung ästhetisch-musikalischer Rezeptionshaltungen auch an der Form Wagnerscher Musik selbst zu tadeln wie auch die sehr verkürzte Darstellung der DDR-Rezeption (ohne ein näheres Eingehen auf die kulturpolitischen Debatten der DDR, ohne eine Erwähnung einer Schlüsselfigur wie Ruth Berghaus). Auch vor der aktuellen Diskussion um das Erbe Bayreuths wäre an einer Auseinandersetzung mit der politisch-gesellschaftlichen Funktion des Wagner-Clans reizvoll gewesen, die Behauptung des Autors "Richard Wagner ist nach wie vor ein kultureller Bezugspunkt in der deutschen Gesellschaft" zu unterfüttern. Als Überblick für Spezialbestände zur Musikgeschichte dennoch empfehlenswert.
Helmut Krebs
rezensiert für den Borromäusverein.
Richard Wagner und die Deutschen
Sven Oliver Müller
Beck (2013)
351 S. : Ill.
fest geb.