Durch frühen Morgennebel
Debüts gilt besondere Aufmerksamkeit. Das Besondere an Manuel Niedermeiers erstem Roman ist, wie er von der Zeit erzählt. Zuerst ist es ein im wahrsten Sinne eingefrorenes Bild: der Fotograf Clemens hält fest, wie sich sein Freund John von der Reling eines Forschungsschiffes ins nördliche Eismeer stürzt. Aus diesem Rahmen entwickelt der Autor eine doppelte Geschichte. Einmal geht es um die Polarexpedition, bei der sich soziale und politische Spannungen gleichermaßen mit dem zusehends zufrierenden Meer auftürmen, sodann um die Vorgeschichte, in der ein traumatisches Erlebnis des Selbstmörders zutage tritt. Der Partner seiner Geliebten hatte sich, während John mit ihr schlief, erschossen. - Beklemmend, eindringlich und mit nüchternem Understatement erzählt Niedermeier, wie die vergangene Zeit die Gegenwart einholt und wie die Erinnerung aus der Fotografie heraus zu sprechen beginnt. Für alle Bestände.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Durch frühen Morgennebel
Manuel Niedermeier
Beck (2014)
219 S.
fest geb.