Für, gegen und ohne Kommunismus
Auf dem Cover des Buches von György Dalos sieht man den noch intakten Kopf und den Stiefel einer Stalin-Statue, die auf einem Rollbrett abtransportiert werden. Es ist ein Bild für die Arbeit der Erinnerung, die der Autor "Für, gegen und ohne Kommunismus" leistet. Dieser Titel weist auf sein lebenslanges Ringen um Identität und kreativen Freiraum in sozialistischen und postkommunistischen Milieus. Die Vorfahren von Dalos waren ungarische Juden, die "Berliner" und "Deutsch" hießen und aus verstreuten Teilen der alten Donaumonarchie nach Budapest gekommen waren. 1943 wurde György Dalos geboren, die Rote Armee rettete seine Familie im Frühjahr 1945 vor der Deportation in ein Konzentrationslager, wofür er zeitlebens dankbar war. Russland, dem Marxismus (die 28-bändige Marx-Engels-Ausgabe war 1968 die Mitgift für seine Ehe) und der kommunistischen Idee, die später als Ideologie abgelehnt wurde, gehörte seine Liebe, aber auch Goethe und Heine und der deutschen Literatur. Dalos schrieb in der DDR und erhielt 1984 ein Stipendium in Westberlin. Doch der Weg zum international angesehenen Schriftsteller war steil wie die Wiener Simonygasse, in der er in den späten 1980er Jahren wohnte, und wurde in Ungarn behindert durch Kontrollen, Verhöre, Repressalien, Berufs- und teilweises Publikationsverbot, Haftstrafe. Dalos schreibt sachlich, selbstkritisch, mit grimmigem Humor, aber auch empathisch vom Leben in der Diktatur und von der Freiheit der Kultur. Lesenswert.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Für, gegen und ohne Kommunismus
György Dalos ; deutsche Bearbeitung von Elsbeth Zylla
C.H.Beck (2019)
311 Seiten : 18 Illustrationen
fest geb.