Die Nemesis der Medizin

Der Naturwissenschaftler, Theologe und Philosoph Ivan Illich analysiert in seinem 1975 erstmals erschienenen und 1995 überarbeiteten Werk detailliert das derzeitige Gesundheitssystem. Er zeigt auf, wie die Medizin seit Ende des 19. und besonders seit dem 20. Jh. stetig technokratischer, teurer und unübersichtlicher wird. Das Wissensmonopol der Mediziner wächst in gleichem Maße, in dem die Unmündigkeit und Abhängigkeit der Patient/-innen zunimmt. Früherkennung kann auch Leiden produzieren. Nicht nur der medizinische Fortschritt, sondern auch gestiegener Wohlstand und damit veränderte Lebensverhältnisse führen zu einem Rückgang von Seuchen wie Thypus oder Tuberkolose. Ganze Lebensphasen wie die Menopause werden pathogenisiert und medikalisiert, Selbstheilungskräfte gleichzeitig marginalisiert. Abhängigkeiten entstehen. Der unmündige Patient nimmt, ohne den Nutzen zu hinterfragen, in Anspruch was technisch möglich ist. Weltweit zeigen sich in der globalisierten Welt die gleichen Muster. Dadurch wird nicht nur die Medizin, sondern auch das Sozialgefüge maßgeblich verändert. Wirtschaftliche Interessen sind vorrangig. Illich ruft eindringlich alle Menschen dazu auf, zu mündigen Patient/-innen und Bürger/-innen zu werden. - Auch fast fünfzig Jahre nach Erscheinen der ersten Auflage ist dieses Buch angesichts der Möglichkeiten der modernen Medizin und in Anbetracht der Auseinandersetzungen über die Gestaltung unseres Gesundheitssystems von beklemmender Aktualität. Die sehr umfassenden Anmerkungen laden zum eigenen Recherchieren und Weiterdenken ein. Wegen seiner Komplexität wird dieses wichtige Buch eher in größeren Bibliotheken Leser/-innen finden.