Der Stammhalter
In verblüffender Offenheit schildert Alexander Münninghoff nicht nur sein Leben, sondern das Leben seiner Familie in den letzten drei Generationen im Osten und Westen Europas, genauer von den baltischen Ländern über Deutschland bis in die Niederlande. Das politisch und militärisch Abgrundtiefe dieser Zeit spiegelt sich auch in den Lebensläufen vieler Protagonisten wider. Das macht das Besondere dieses Buches aus: Es ist nicht die erzählte Geschichte irgendwelcher Personen der Zeitgeschichte, sondern die Geschichte der eigenen Familie, die hier in all ihrer Absurdität, Unversöhnlichkeit, ihrem sagenhaften Reichtum, aber auch mancherlei Lastern ausgebreitet wird. Diese Familienchronik ist unterhaltend, spannend, sehr abwechslungsreich, überraschend, tragisch. An vielen Stellen denkt man auch an die eigene Familie und ist wirklich überrascht über Parallelen, die mit den Ereignissen dieser besonderen Zeit zusammenhängen. Das Foto auf dem Schutzumschlag, das Großvater und Enkel, den Stammhalter, zeigt, versinnbildlicht die Zeitspanne, die es dramatisch schildert und noch einmal lebendig werden lässt. Dabei gibt es, ganz wie im richtigen Leben, sympathische und sehr unsympathische Charaktere und viel Elend und Herzeleid bei der Wahl ihrer Ehepartner. Eine gelungene Schilderung des Lebens einer reichen Familie in den Turbulenzen ihrer Zeit, an deren Verlauf allerdings nicht alle Familienmitglieder so ganz unschuldig sind. Man legt dieses Buch erst aus der Hand, wenn man es bis zur letzten Seite geschafft hat, weil manches offen bleibt bis zum Schluss.
Armin Jetter
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der Stammhalter
Alexander Münninghoff ; aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
C.H.Beck (2023)
333 Seiten
kt.