Das Lied & das Ich

Der Engländer Ian Bostridge widmet sich in dem Buch dem Verhältnis von Sänger/Künstler zur Figur/Liedgehalt. Dass er dazu Fundiertes zu sagen hat, hat er bereits in dem Werk über Schuberts „Winterreise“ (BP/mp 16/58) gezeigt. Schließlich Das Lied & das Ich ist der international gefeierte Tenor auch promovierter Historiker. Wie zu Schubert schreibt Bostridge auch zu Liedkompositionen von Monteverdi, Schumann, Ravel, Benjamin Britten u.a. eine glänzende Analyse des Liedgehalts im Verhältnis zu Art und Weise seiner „Aufführung“ (dies ist mit „Performance“ gemeint) durch den Sänger und Künstler. Im ersten Kapitel geht Bostridge gesondert auf Genderidentitäten ein, ein Spiel mit Geschlechterrollen, das besonders an Monteverdis Kompositionen studiert werden kann. Aber auch den Identitäten (post)kolonialer Figuren in Liedern etwa von Ravel oder dem existentiellen Verhältnis zum Tod etwa bei Britten spürt der Autor in subtiler Weise britischen Geistes nach. Als Sänger wie Historiker spricht er zurecht davon, dass Identität im Kunstlied sowohl ein praktisches als auch moralisches Thema ist (Seite 17). Die „großen Themen des Lebens“, Liebe und Tod und Identität, treten im Lied und seiner „Aufführung“ in dieser Doppelgestalt des Praktischen und ethisch/symbolhaften Historischen auf. Die aus Vorlesungen des Autors hervorgegangenen Essays schaffen den an intellektuellem Vergnügen interessierten Leser:innen sowohl einen Zugang zu den behandelten Liedern als auch zu den generellen Fragen im Verhältnis von Musik, Geschichte und Darstellung/Performance. - Eine Empfehlung geht an alle größeren Bestände.

Helmut Krebs

Helmut Krebs

rezensiert für den Borromäusverein.

Das Lied & das Ich

Das Lied & das Ich

Ian Bostridge ; aus dem Englischen übersetzt von Annabel Zettel
C.H.Beck (2023)

142 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 616258
ISBN 978-3-406-80866-1
9783406808661
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Mu
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