Die Kunst der Elternliebe
Wolfgang Bergmann (1944-2011) ist mittlerweile bekannt für seinen Blick auf Kinder, der sich deutlich von dem unterscheidet, der Kinder hauptsächlich als zu konditionierende Wesen ansieht, für deren Beeinflussung sie Patentrezepte bereitstellen. Bergmanns Credo, das er auch in diesem Buch schlüssig und engagiert vorträgt, ist vielmehr: Ein Kind muss gesehen werden, es muss seinen Eltern wichtig sein, es braucht Eltern, die mit ihm die Welt entdecken und wirklich mit ihm in Beziehung treten wollen. Er kritisiert vehement Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft, die diese Aufgabe der Familie erschweren und bedrohen. Bergmanns Kernaussagen sind so einfach, dass allein der Umstand, dass sie überhaupt gesagt werden müssen, ein Gradmesser dafür ist, wie wichtig sie sind. Er stellt sie in seinem Rundgang durch die Erfahrungswelt von Eltern und Kindern anschaulich dar, in gut verständlichen, kurzen Kapiteln, die jeweils auch für sich lesbar sind. Problematisch ist indes sein Familienbild, das auf biologistischen Annahmen aufbaut: So recht er hat, dass Eltern als verlässliche Bindungspersonen unersetzlich sind, so fraglich ist doch, ob dies wirklich nur in einer klassischen Rollenverteilung erreicht werden kann. Weil die Erinnerung an die existenzielle Notwendigkeit des liebevollen Blicks auf Kinder so wichtig ist und in der Hoffnung, dass Eltern in anderen Rollenverteilungen als der klassischen selbstbewusst genug sind, sich, wenn sie ihre Wahl verantwortungsvoll getroffen haben, nicht von diesen Aussagen verunsichern lassen, sei der Titel trotzdem sehr empfohlen.
Annette Jantzen
rezensiert für den Borromäusverein.
Die Kunst der Elternliebe
Wolfgang Bergmann
Beltz (2011)
Beltz-Taschenbuch ; 922
239 S.
kt.