Briefsteller
In dem als Briefwechsel zwischen Sascha und Wolodja konzipierten vielschichtigen Roman des russischen Schriftstellers Michail Schischkin (* 1961) spiegelt sich die Dialektik des Lebens wider. Denn beider Botschaft beinhaltet "tiefste Qual und höchstes
Glück zugleich". Während Wolodja in einen fiktiven Krieg ziehen muss, setzt sich die als Medizinerin tätige Sascha mit Alltagsproblemen auseinander. Die Brutalität einer funktionierenden Kriegsmaschinerie steht somit im Kontrast zum Normal-Gewöhnlichen. Die Freude am wärmenden Frühling, die Sehnsucht nach gemeinsamen Sommertagen, aber auch das Glück, mit Kindern zu spielen - es sind Empfindungen, an denen sie ihren Geliebten teilhaben lassen möchte. Auch der mit Absurdität und Sinnlosigkeit konfrontierte Wolodja zehrt von Erinnerungen. Wenn letztlich keiner der Briefe den Adressaten erreicht, das Geschriebene also resonanzlos bleibt, handelt es sich um einen künstlerisch-literarischen Einfall, durch den die Liebesbeziehung den Zauber des Außergewöhnlichen erhält. Dass die lebensspendende Kraft stärker sein möge als Vernichtung und Tod, entspricht dem tiefempfundenen Wunsch des dynamisch erzählenden Autors. Sein Roman ist einerseits zu Recht der anspruchsvollen Antikriegsliteratur zuzuordnen, zum anderen aber vor allem auch ein einfühlsam übersetztes Plädoyer für die Liebe. (Übers.: Andreas Tretner)
Kirsten Sturm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Briefsteller
Michail Schischkin
Dt. Verl.-Anst. (2012)
377 S.
fest geb.