Das Haus der zwanzigtausend Bücher
Das großelterliche Haus im Londoner Stadtteil Highgate war für das Kind Sasha eine faszinierende Welt aus lauter Büchern. Nach dem Tod des Großvaters Chimen geht er noch einmal durch alle Zimmer und setzt die darin verstauten Bücher, Manuskripte
und Zeitungsausschnitte mit Lebensabschnitten des Verstorbenen in Verbindung. Chimen Abramsky stammt aus einer orthodoxen Rabbinerfamilie im Zarenreich, die noch unter Lenins Herrschaft nach London auswandert. Der junge Chimen und seine Ehefrau engagieren sich in der jüdischen Sektion der kommunistischen Partei Großbritanniens. Aus dieser Zeit stammen die Bestände sozialistischer Literatur im Haus. Erst eine Weile nach Stalins Tod kehrt Chimen dem Kommunismus den Rücken und wendet sich dem religiösen jüdischen Schrifttum zu. - Der Enkel schildert das Haus nicht als einzigartige private Buchsammlung, sondern als Treffpunkt vieler ganz unterschiedlicher Menschen, als literarischen Debattierclub wie als Zentrum einer großen Familie. Besonders die Gastgeberin Miriam Abramsky stellt er in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit vor. Intensiv setzt er sich beim (fiktiven) Rundgang mit den Beweggründen seines Großvaters auseinander, die ihn über mehr als acht Jahrzehnte Teil der europäischen Geistesgeschichte sein ließen. Damit aber der Beschriebene nicht als schrulliger alter Kauz erscheint, sollte sich der Leser mit jüdischer Religionsphilosophie und der Affinität russischer Juden zu Sozialismus und Zionismus beschäftigt haben. Das Buch ist menschlich anrührend, wird aber nur einen kleineren Leserkreis ansprechen.
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Das Haus der zwanzigtausend Bücher
Sasha Abramsky
Dt. Taschenbuch-Verl. (2015)
375, [24] S. : Ill. (z. T. farb.)
fest geb.