Nach Gott fragen zwischen Dunkel und Licht
Mirjam Schambeck, Franziskanerin und Professorin für Religionspädagogik in Freiburg, zeigt, dass die Lebensgeschichte des heiligen Franziskus von einer lebenslangen Suche nach Gott geprägt war. Dabei versteht sie es, den Wandel seiner Gottesbeziehung vom distanzierten "Sie" zum für seine Zeit unerhört vertrauten "Du" so zu beschreiben, dass er auch für eher skeptische Zeitgenossen zugänglich wird. An Franziskus Lebensgeschichte wird deutlich, dass Gott nicht am Menschen vorbei handelt, den Menschen nicht erst umkrempelt - oder der Mensch sich selbst erst ändern müsste, um Gott zu finden. Im Gegenteil: "Gott sucht den Menschen mit allem, was ihn ausmacht", schreibt Schambeck. Dazu gehören auch seine dunklen Seiten, die er am liebsten vor sich selbst verstecken würde. Gott ist kein Prinzipienreiter, der Bedingungen stellt, bevor man ihm begegnen darf. Darauf dürfen gerade diejenigen vertrauen, deren Leben nicht oder nicht immer in geregelten Bahnen verlaufen ist. Ein anderer Aspekt franziskanischer Gottsuche, der heute wieder einen Nerv trifft, ist ihr Praxisbezug. Franziskus beschäftigte sich nicht mit Theorien, sondern suchte Gott im Alltag unter seinen Mitmenschen und begegnete ihm in einem Aussätzigen. Deshalb bedeutet Gott zu suchen aus franziskanischer Sicht, ihn bei den Menschen zu finden, besonders bei den Armen und Entrechteten. Zu Franziskus Erfahrungen mit Gott gehört auch, dass Gott sich verbirgt. Diese nur schwer auszuhaltende Erfahrung machen Menschen immer wieder. Doch aus franziskanischer Perspektive kann das auch ein Weg sein, schreibt Schambeck, "nicht an vordergründigen Vorstellungen von Gott hängen zu bleiben, sondern tiefer zu steigen, dorthin, wo Gott sich selbst zeigt". Wer Gott als den Verborgenen erfährt, darf darauf vertrauen, dass Gott sich vom Menschen finden lassen will, betont sie. Franziskus hatte auf seinem Weg zu Gott zahlreiche Begleiter. Auch das ist ein Element franziskanischer Spiritualität: Man braucht Gefährten, mit denen man sich gemeinsam auf die Suche nach Gott macht. Dazu gehören ohne Zweifel auch Bücher wie dieses.
Christoph Holzapfel
rezensiert für den Borromäusverein.
Nach Gott fragen zwischen Dunkel und Licht
Mirjam Schambeck
Echter (2014)
Franziskanische Akzente ; 1
102 S. : Ill.
fest geb.
Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats