Nicht auf den Kopf!

Cochem-Brauheck in den 70er und 80er Jahren: Hinter der trügerischen Idylle mit Einfamilienhaus, gemähtem Rasen und Thujahecke in einer Wohnbausiedlung der "Bessergestellten" spielen sich dramatische Szenen ab. Der alkoholkranke Vater von Markus Breitscheidel verprügelt oft wegen Nichtigkeiten über viele Jahre hinweg seine drei Söhne und seine Frau. Der zersplitterte Rahmen seiner Kinderzimmertür ist ein Bild, das sich dem Autor eingebrannt hat. Doch der Vater prügelt nicht nur, er demütigt und drangsaliert auch, wo ihm körperliche Gewalt nicht mehr ausreicht. Zwei Fluchtversuche der Mutter mit ihren Kindern scheitern an der Verweigerung der Großeltern und am fehlenden Geld. U.a. die Verwandten, Nachbarn, Lehrer, Trainer, Pfarrer schauen über die blauen Flecken weg, hören die Schreie der geprügelten Kinder scheinbar nicht. In dem streng katholisch geprägten Milieu passierte so etwas einfach nicht und eine Scheidung war undenkbar. Die Mutter versuchte, ihre Kinder zu schützen, aber auch die Gräuel zu vertuschen, zu verbergen und den Schein zu wahren. Markus Breitscheidel findet Trost im Fußball, im Indianerspiel im nahen Wald und als Jugendlicher im Break-Dance. Er setzt sich als Klassensprecher für Schwächere ein und verteidigt seinen krebskranken Freund. Als sein Vater ihn mit neunzehn Jahren hinauswirft, beginnt ein neues, freieres Leben. Mit diesem schockierenden Bericht arbeitet der Autor nicht nur seine eigenen Gewalterlebnisse auf. Er möchte vor allem dazu aufrufen, nicht wegzuschauen, wie es sein Umfeld in seiner Kindheit tat, sondern Hilfe anzubieten, wenn jemand offensichtlich geschlagen, drangsaliert und gedemütigt wird. Im Anhang befinden sich zahlreiche hilfreiche Hinweise, wie vor allem Kinder geschützt werden können, wie der Kinderschutzbund arbeitet und welche Anlaufstellen es gibt für Opfer von Gewalt und für die, die ihnen beistehen wollen. Mitreißend geschrieben. - Ein wichtiges, aufrüttelndes Buch, das mutig ein Tabuthema aufgreift und dass allen Opfern von häuslicher Gewalt eine Stimme gibt. Empfehlenswert!