Der kalte Himmel
Marie hat schon früh bemerkt, dass ihr jüngster Sohn anders ist, aber als Hopfenbäuerin ist sie von früh bis spät voll ausgelastet. Da bleibt nicht viel Zeit, sich über die seltsamen Vorlieben von Felix zu kümmern, auch ihr Mann Paul, ihre Schwiegereltern und ihre weiteren Kinder haben das Interesse an dem verschlossenen und verträumten Sechsjährigen längst verloren. Als Felix jedoch bei der Einschulung ausrastet und von Schularzt für verrückt erklärt wird, eskaliert die Situation. Paul fürchtet um sein Ansehen im Dorf, und Elisabeth ist überzeugt davon, dass ihr Enkel vom Teufel besessen ist. Der Junge soll auf die Förderschule. Einzig von Alex, der neuen Kantorin, erhält Marie Unterstützung. Sie ist von der besonderen Begabung ihres Sohnes überzeugt, und nicht willens ihn aufzugeben. - Der Roman spielt in der bayerischen Hallertau in den späten sechziger Jahren. Die Hauptfigur ist eine äußerst starke Frau, die schier Unglaubliches leistet in Anbetracht der Zeit und der Umstände. Von der Diagnose "Autismus" war zu dieser Zeit noch fast nie die Rede, meistens wurden Betroffene schlicht als "verrückt" und "zurückgeblieben" abgestempelt. Psychische Erkrankungen wurden als eine Strafe Gottes angesehen, die Behandlungskosten mussten selbst beglichen werden. Der Roman regt zum Nachdenken an, natürlich hat sich viel verbessert, aber werden psychisch Erkrankte wirklich als Teil der Gesellschaft akzeptiert und integriert? Empfehlenswert für alle Büchereien.
Verena Aignesberger
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der kalte Himmel
Andrea Stoll
Goldmann (2011)
268 S.
fest geb.