Eine eigene Frau
1903: Die siebenjährige Saida lebt in Vartsala, einem kleinen Küstenort im Südwesten Finnlands. Der Alltag in der Dorfgemeinschaft ist von Entbehrungen und der Arbeit im Sägewerk geprägt. Im nahen Herrenhaus Joensuu wächst Anders in einem bürgerlichen Umfeld auf und trägt Matrosenanzüge mit glänzenden Knöpfen, die beim Stallburschen Arvi Angstzustände auslösen. Dann sind da noch Sakari und Joel, der vom Fliegen träumt. Wenn schon die Brüder Wright die Schwerkraft überwinden konnten, lassen sich dann nicht auch fest geglaubte gesellschaftliche Strukturen verändern? Als 1918 zwischen den sozialistischen "Roten" und bürgerlichen "Weißen" der Krieg ausbricht, finden sich die Kinder von einst, aus Zwang oder eigener Entscheidung, auf unterschiedlichen Seiten wieder. Zusammengehalten werden die Ereignisse von damals durch einen Erzählstrang in der Gegenwart: Risto Salin, der Enkel von Saida, spürt in Dokumenten und den eigenen Erinnerungen den Ereignissen jener schicksalhaften Jahre nach und sieht sich mit Fragen nach Schuld und Sühne von Verbrechen konfrontiert, die über 90 Jahre zurückliegen. - Wie schon in ihrem letzten Roman (Die Unbeugsame, BP 06/345) thematisiert Lander die Zeit des finnischen Bürgerkriegs. In wechselnden Erzählperspektiven porträtiert sie das ländliche Arbeiterproletariat und arbeitet lebhaft heraus, wie miteinander verwickelte Einzelschicksale in die nationale Geschichte übergehen. Das Buch beginnt ruhig und gewinnt ab der Hälfte deutlich an Spannung. Interessierten Leser/innen gerne empfohlen. (Übers.: Stefan Moster)
Barbara Sckell
rezensiert für den Borromäusverein.
Eine eigene Frau
Leena Lander
btb (2012)
461 S.
fest geb.