Brüder
Sie sind Halbbrüder, wissen aber nichts von einander. Gabriel, Architekt in London, und Mick, der Party- und Lebemann, Teilhaber an einem Berliner Nachtclub. Beide stehen an Kipppunkten ihres Lebens, nur auf unterschiedlichem Niveau. Mick mit nichts als einem Haufen Schulden, Gabriel als erfolgreicher Architekt, der durch eine impulsive Handlung seinen Ruf ruiniert und eine Anklage wegen eines sexuellen, rassistisch motivierten Übergriffs am Hals hat. Wie sind sie an diesen Punkt gekommen? Hat das etwas mit ihrer Biografie oder mit der Tatsache zu tun, dass sie einen schwarzen, abwesenden Vater haben? Oder mit ihrem Mann-sein? Jackie Thomae schildert die Lebensgeschichten dieser beiden Männer jeweils aus ihrer eigenen Perspektive und spiegelt sie aus der ihrer Partnerinnen. Für die Leser/-innen ist es ein großes Vergnügen, den gewundenen Pfaden von Micks Leben und der recht geradlinig verlaufenden Biografie von Gabriel zu folgen. Anhand der beiden Biografien verhandelt Thomae geschickt Fragen wie die, wie weit Menschen durch ihre Herkunft geprägt werden, die nach dem Verhältnis von Männern und Frauen, vor allem dann, wenn sie zusammenleben und nicht zuletzt nach verdecktem und offenem Rassismus, nach der Rolle der Hautfarbe in der ganzen Geschichte also, von der die Brüder glauben, sie sei kein Thema. "Brüder", das ist abgesehen von der eleganten, leichtfüßigen Erzählweise die große Kunst, beantwortet die Fragen nicht, sondern pflanzt sie in die Köpfe der Leser/-innen, auf dass sie sich ihren Reim darauf machen. Sehr, sehr lesenswert! (Nominiert für den Deutschen Buchpreis)
Christoph Holzapfel
rezensiert für den Borromäusverein.
Brüder
Jackie Thomae
btb (2021)
508 Seiten
kt.