Der letzte Sommer auf Long Island

"Sag Harbour", so lautet aus gutem Grund der Originaltitel des 2009 erschienenen Buches. Denn der Roman ist eine etwas harsche Liebeserklärung an dieses kleine, beschauliche Hafenstädtchen auf Long Island, zugleich ein ungemein amüsant geschriebener Adoleszenszroman und nebenbei eine interessante sozial- und kulturgeschichtliche "Milieustudie" über das Leben afroamerikanischer Mittelschichtfamilien in einem schwarzen Ferienghetto in den 70er und 80er Jahren. Ben und seine Familie verbringen, wie andere afroamerikanische Familien, streng separiert von den begüterten Weißen, in ihren bescheidenen Strandhäuschen ihre Sommerferien. Wichtiger als die Eltern, der dominante Vater und die blass bleibende Mutter, die meist nur am Wochenende vorbeischauen, sind für Ben, den aus nostalgischer Rückschau berichtenden Ich-Erzähler, und seinen Bruder die Clique. Alle sind inzwischen alt genug für einen Ferienjob; Ben z.B. ist Eisverkäufer und sein 14-jähriger Bruder arbeitet bei Burger King. Aber es bleibt in diesen drei Sommermonaten genug Zeit für all die altersgemäßen Freizeitaktivitäten. Das Strandleben, Partys, angesagte Musikgruppen, diverse Mutproben, erste Erfahrungen mit den Mädchen, Konflikte mit den Eltern und untereinander sowie die sublim funktionierende Abgrenzung von den Weißen sind die wenig spektakulären Ereignisse oder Themen, die der Roman erzählt. Der inzwischen doppelt so alte Erzähler berichtet über dieses letzte Jahr, in denen er die Ferien "auf Long Island" verbracht hat, streckenweise in einer ausgesprochen elaborierten Sprache, gleichzeitig bedient er sich aber des derb-witzigen Slangs, der völlig authentisch die Lebens- und Gefühlswelt der damals Fünfzehnjährigen heraufbeschwört. Ein Kontrast von hohem Reiz, der aber den Roman als Lektüre für Jugendliche problematisch erscheinen lässt. (Übers.: Nikolaus Stingl)