Eine Ahnung vom Anfang

Seinen Themenkreis hat der österreichische Schriftsteller Norbert Gstrein (zul. "Die ganze Wahrheit", BP/mp 11/108) in dem Roman "Eine Ahnung vom Anfang" deutlich erweitert. Es geht diesmal nicht nur um Heimat und Erinnerung, sondern auch um die Passagen Eine Ahnung vom Anfang zum Erwachsenwerden mit ihren vor allem pädagogischen und religiösen Dimensionen. Der Ich-Erzähler, ein Lehrer, glaubt auf einem Fahndungsfoto seinen ehemaligen Schüler Daniel zu erkennen, einen hochbegabten Feingeist, unsicheren Vielleser und von apokalyptischen Sektenpredigern beeinflussten Schwärmer. Dieser soll auf einem kleinen Provinzbahnhof eine Bombe deponiert haben. Der Roman entfaltet die Erinnerung des Lehrers an Daniel auf eine eindringliche Weise, die vor allem die Rolle von Gesprächen und Lektüren (die Daniel in einem Romanmanuskript festgehalten hat) auf dem Weg zum Erwachsenwerden bewusst macht. Es geht um die Frage von Unschuld und von pädagogischem Eros, um die Haftbarkeit von radikalen Gedanken, um die Frage, ob Lesen ein Mittel der Flucht vor der Wahrheit oder der Suche nach ihr ist. Daniel als religiöser Terrorist, verführter Schläfer oder "Märtyrer" (wie in dem gleichnamigen aktuellen Drama von Marius von Mayenburg) - diese Frage kann bis zum Ende auch ein hartnäckiger Inspektor nicht lösen. Eine starke Lektüre mit tiefen Eindrücken, allen Beständen empfohlen. (Nominiert für den Deutschen Buchpreis)

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Eine Ahnung vom Anfang

Eine Ahnung vom Anfang

Norbert Gstrein
Hanser (2013)

349 S.
fest geb.

MedienNr.: 388349
ISBN 978-3-446-24334-7
9783446243347
ca. 21,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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